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Anmerkung: Das da unten sind alte Comic-Besprechungen die im Comic Fanzine 'Plop' erschienen. Die meisten sind von Andreas Alt ('aa') verfasst. Natürlich sind die Angaben nicht mehr gütig, Hefte vergriffen, Zeichner umgezogen, Währung geändert etc. Aber für den einen oder anderen vielleicht ganz interessant hier zu schmökern...

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Plop 48
Besprechungen



Oliver Ferreira: Schlaraffenland. 52 Seiten, s/w mit vierfarbigem Umschlag, DIN A4-Album, Hardcover. Verlag Sprühende Phantasie, Goebenstraße 37, 32423 Minden
 
Läuterung durch Schmerz - diese Idee kommt in diesem Album nur einmal explizit vor, in der Geschichte „Strafe muß sein“, in der eine Mutter ihren kleinen Sohn immer nur durch Abwesenheit, also durch Liebesentzug bestraft, was bei ihm merkwürdige Gedanken auslöst: Wenn Mama etwas zustieße, das bedeutete dann wohl, daß er einen großen Fehler gemacht hätte. Und dabei zerdrückt er einen Käfer (bedeutsame Geste seit Will Eisner). Läuterung durch Schmerz - das ist aber zugleich ein wichtiger Schlüssel zu den hier versammelten 13 Geschichten von Oliver Ferreira (vier davon bisher unveröffentlicht), mit denen er sich endgültig als einer der interessantesten deutschen Comiczeichner zu erkennen gibt. In der Anthologie, die wohl einen Großteil seines bisherigen Werks versammelt, steckt eine gemeinsame Logik - Oliver Ferreiras eigene Gedankenwelt, was zugleich bedeutet, daß hier einer nicht irgendwelchen bewunderten Comics nachstrebt. Den Schmerz lösen immer widerliche, oft bigotte autoritäre Figuren aus. Schmerz kann den Wunsch nach Flucht auslösen, aber aus den hier gezeigten klaustrophobischen, nicht selten von irrsinnigen Naziideologien durchdrungenen Welten gibt es keinen Ausweg. Nicht nur die kaltäugigen Mächtigen verfolgen die Figuren, sondern auch vorgeblich ganz biedere Nachbarn, ein spießiger Ehemann, der plötzlich auf die Idee kommt, seine Thai-Frau auf den Strich zu schicken (der einzige, den so etwas wie die gerechte Strafe ereilt), Untergebene, die sich über ihresgleichen aufzuschwingen versuchen, und selbst Kinder, die in der Familie eine bessere Position haben als Angestellte des Geschäfts. Gibt es schließlich eine Erlösung vom Schmerz, der mutwillig gegenseitig zugefügten Qual? In der Geschichte „Die buddhistische Maschine“ findet sich ein Hinweis: Ein Fernsehapparat empfängt ein Programm sehr schlecht. Man sieht nur Schemen, „banal und ganz weit weg“. Mit Hilfsmitteln wie Alkohol könnte es vielleicht gelingen, auch die reale Welt wie dieses Fernsehprogramm zu sehen, aber dieser Versuch blieb „bislang ohne Erfolg“. In seinen Zeichnungen erweist sich Oliver Ferreira freilich als einer, der ganz genau hinsieht, der die Fratze in den Gesichtern erkennen kann und psychische Deformationen in den Verkrümmungen der Körper. Auch die Perspektiven sind immer wieder zur Kenntlichkeit verzerrt. Dabei ist sein Stil sehr realistisch. Seine zweifellos vorhandenen jugendstilartigen Manierismen helfen häufig, Bildspannung aufzubauen. Das Album ist sehr schön geworden, gut gedruckt und sorgfältig aufgebunden. Nur etwas schwereres Papier hätte es vielleicht verdient gehabt. aa
 
Unangenehm # 3. 68 Seiten, s/w mit vierfarbigem Umschlag, DIN A4, 7 Mark. Unangenehm, c/o Thomas Wittke, Kieler Straße 425, 22525 Hamburg
 
Gemeinsam ist allen Geschichten dieser Anthologie der alltägliche Umgang mit Drogen. Das ist der Ausgangspunkt für die Hamburger Designstudenten, die zum dritten Mal einen gemeinsamen Comicband herausgebracht haben. Bei den Vorgängern war allein schon die Art der Zusammenstellung interessant: Ein Teil der Leute ist geübt im Verwenden des Ausdrucksmittels Comic, bei anderen merkt man, daß sie sich eben auch mal mit diesem Medium auszudrücken versuchen. Das ergibt jedes Mal eine große Bandbreite von Stilen und Perspektiven. Zu dieser Attraktion kommt in der neuen Ausgabe der selbstverständliche Zugriff auf ein durchaus problematisches Thema. Es geht um Drogen im engeren Sinne, nicht um Sucht allgemein, nicht also um Fernsehen als Droge oder ähnliches. Drogenkonsum wird im allgemeinen nicht verurteilt, aber die zerstörerischen Folgen werden auch nicht ausgeblendet. Es wird auch nicht als cool hingestellt, Drogen zu nehmen. Jeder kann sich seinen eigenen Reim drauf machen. Der Band ist gewiß nicht als Aufklärungsbroschüre gedacht, aber sollte jemand das Bedürfnis haben, mehr über Drogen zu erfahren, bevor er sich beispielsweise einen Joint anzündet, so wäre die Anthologie nicht die schlechteste Wahl, denn hier werden die Karten ehrlich auf den Tisch gelegt. aa
 
cOMIc # 25. 40 Seiten, s/w, DIN A5. Im Tausch gegen Beiträge oder andere Fanzines. Gerd Bonau, Eckernförder Straße 30, 24398 Karby
 
Ein silbernes Jubiläum kann Gerd Bonau mit dieser extradicken Nummer seines liebenswerten Minus-Profit-Magazins feiern. Sein erklärter Grundsatz, alle Beiträge abzudrucken, die er zugeschickt bekommt, beschert uns diesmal hauptsächlich ganzseitige Cartoons und Illus von unterschiedlicher Qualität. Unter den Höhepunkten: Fünfmal Bernd Teubers „Machomania“. hg
 
Plattform # 2. 32 Seiten, s/w mit zweifarbigem Umschlag, DIN A5, kostenlos. Plattform, Wilhelmshafener Straße 17, 24105 Kiel oder Schöneberger Straße 83, 24148 Kiel
 
Meine etwas halbgare Besprechung der Nullnummer von Plattform bedaure ich inzwischen zutiefst, denn die Kieler haben ihren Weg unbeirrt fortgesetzt. Die # 2, die inzwischen dritte Ausgabe, wirkt schon recht überzeugend, wenngleich noch immer sehr „fannig“, wie Haggi sagen würde. Das Prinzip, Comics mit Textbeiträgen zu mischen, wird beibehalten. Die Comics kommen inzwischen auch von Manfred Lafrentz oder Anja & Joy, aber die hauseigenen Zeichner Nils, Oliver und Marco Lensch sind auch nicht schlecht. aa
 
Filmriß # 4. 52 Seiten, s/w mit vierfarbigem Umschlag, DIN A4, 8,80 Mark. Amigo Comics, über Klaus Jesinger, Stegwiesenstraße 11, 73061 Ebersbach
 
Nach wenigen Ausgaben ist es Holger Bommer gelungen, mit seinem Magazin ein bemerkenswertes Qualitätsniveau zu erreichen. Der Umschlag mit einem Bild von Martin Frei trägt die Handschrift von Andreas Mergenthaler, der zeitweise auch die ICOM-Zeitschrift professionell layoutet hat, und der Druck dieser Ausgabe ist exzellent. Das allein würde mich aber nicht überzeugen; vielmehr sind die einzelnen Beiträge fast ausnahmslos hervorragend. Herausheben möchte ich vielleicht die hintergründige Groteske „Paketkriegen“ von Stefan Dinter, ohne damit aber die Arbeiten von Conny Hahn/ Alex Winkler, Haggi, Sten & Jähde, Sten & Pasda, Jo 84, Marcus Schmidt/Jan Thüring oder Bernd Frenz/Kim Schmidt abwerten zu wollen. Holger selbst hat unter anderem zwei Geschichten seines neuen Helden Kurt beigesteuert. Mehr davon sowie Sachen von Rainer Baldermann, Ulrich Magin und Stefan Dinter finden sich in einer kleinen Cartoon-Beilage „Funny Tales“. Dieses Heftchen und Holgers ziemlich alberner Beitrag „Entensüchtig!“ sind es, die den Titel „Filmriß“ hauptsächlich rechtfertigen, bei dem ich eher an eine Bierzeitung denken würde („Filmriß? Das ist doch das, was ich nach meiner Sauftour gestern nacht hatte.“) aa
 
Holger Bommer/Klaus Jesinger/Achim H. Sauer: Ferdinand der Verführer und Edgar der Erdverbundene # 2. 56 Seiten, s/w mit vierfarbigem Umschlag, DIN A4-Album, Softcover. 14,80 Mark. Amigo Comics, über Klaus Jesinger, Stegwiesenstraße 11, 73061 Ebersbach
 
Der zweite Band ist routinierter gezeichnet als der erste; die Story bewegt sich weiter auf Clever & Smart-Niveau. Die Titelhelden bereisen diesmal auf der Suche nach dem Sinn des Lebens mehrere Kontinente und enden schließlich im Kochtopf eines Kannibalenstamms. Das liest sich insgesamt ganz nett, die vielen Gags sind naturgemäß von unterschiedlicher Güte. aa
 
 
Harald Havas: Durch die Blume gesagt. 20 Seiten, s/w mit Farbcover, DIN A5. Harald Havas, Sterngasse 11/18 A-1010 Wien
 
Mit diesem Just-for-fun-Projekt zeigt uns der Chefredakteur des österreichischen Fachmagazins „Comic Forum“, warum er nicht Comiczeichner wurde. Die Pointen seiner Cartoons reichen von „reichlich flach“ bis „ganz schön abgedreht“. Immerhin war er der einzige, der mir in Erlangen meinen Signaturwunsch „Das Wagenrennen von Ben Hur mit allen Teilnehmern und allen Zuschauern“ ohne mit der Wimper zu zucken erfüllte. hg
 
 
Panel # 16. 44 Seiten, s/w mit vierfarbigem Umschlag, DIN A4. 4 Mark. Panel e. V., Postfach 102665, 28026 Bremen
 
Ich weiß, ich gehe mit Panel etwas ungerecht um, aber ein Magazin, das aufgemacht ist wie Strapazin, aber inhaltlich nur guten Durchschnitt bietet, verdient halt eine eher verhalten begeisterte Kritik. Sehr angetan war ich von den Beiträgen von Ulf Keyenburg, die übrigen Comics sind okay. Die Textbeiträge leiden weiter unter modisch postmoderner Unlesbarkeit. Außer Rezensionen gibt’s diesmal einen Artikel über Gustav Doré und offenbar seine Verdienste um die Comickunst. Das chaotische Zauberwürfel-Layout macht die Geschichte allerdings leider - tja, unlesbar. Die nächster Ausgabe sollte man sich möglicherweise trotzdem vormerken, denn die Bremer wollen dann eine CD beilegen. Der Einzelpreis von Panel soll dann steigen, der Abopreis konstant bleiben. aa
 
 
Kim Schmidt: Der neue große Öde Sammelband. 28 Seiten s/w mit vierfarbigem Umschlag, DIN A4. Flying Kiwi Verlag, Jens Junge, Schloß Glücksburg, 24960 Glücksburg
 
Öde, die Comicfigur mit dem Snickers-Namen (siehe PLOP # 44), erscheint im Flensburger Stadtmagazin Moin Moin. Hier sind nun die Strips versammelt, die Kim seit seiner Rückkehr aus USA im April 1994 gezeichnet hat (67 an der Zahl). Klein eingeklinkt wie die Aragones-Scherze in Mad sind die Abenteuer von Pater Potter, die wir ja schon aus PLOP kennen. Häufig arbeiten nur Zeichner der zweiten und dritten Garnitur für Zeitungen und Stadtmagazine, weil da in der Regel schlecht bezahlt wird. Kim Schmidt ist da eine seltene Ausnahme (und das bezieht sich auf seine Arbeit und nicht auf seine Honorare, über deren Höhe ich nichts weiß). aa
 
Der Comic-Herold # 2. 32 Seiten, s/w, DIN A5. 2,50 Mark. Crago Verlag, Postfach 32, 97991 Creglingen
 
Auch in der zweiten Ausgabe dieses Magazins, das sich vor allem den Superhelden verschrieben hat, bildet ein älteres Werk von Andreas Alt den Schwerpunkt: „Geliebt werden“ heißt die 16seitige Fortsetzung von „Stigmata“ aus dem ersten Herold. Bodo W. Keller wandelt mit seiner Kurzgeschichte ohne Titel ganz offensichtlich auf den Spuren von Bernie Wrightson. Ein Selbstporträt des Zeichners Chris Nöth und ein kurzer Artikel über Superman runden das Heft ab. hg
 
Koma Comix
# 11. 36 Seiten, s/w, DIN A5, 2,50 Mark. Weißblech Comics, An der Landstraße 5, 23758 Kükelühn
 
In Kükelühn wird weiter fröhlich gesoffen und mit Frauen rumgemacht (ein bißchen). Es ist sehr schwer, über diese sorglosen Selbsterfahrungs-Comics geistreich zu schreiben, aber sie lesen sich nach wie vor kurzweilig. aa
 
Menschenblut # 24. 40 Seiten, s/w mit vierfarbigem Umschlag, Comicbook-Format, 6,80 Mark. Eisenfresser Comix, Postfach 1141, 36094 Petersberg
 
Wieder die nötige Dosis Stoff vom Guten, in Erlangen sehr zu Recht erneut mit einem Fanzinepreis ausgezeichnet. Wer hier noch eine lange Besprechung braucht, um sich zum Kauf zu entschließen, dem ist eh’ nicht mehr zu helfen. aa
 
Graffiti! # 5. 20 Seiten, s/w, DIN A5, 2 Mark. SFFC New Worlds, Postfach 661, A- 3101 St. Pölten
 
Im fünften Teil seiner Graffiti!-Reihe beschäftigt sich Milan Knezevic mit dem Thema Tod. Er versucht, sich seinem Thema von ganz unterschiedlichen Seiten zu nähern - mal mit der Comic-Adaption einer der typischen „Legenden von heute“, die in der einen oder anderen Form immer wieder als „wirklich passiert“ erzählt werden oder auf den „bunten Seiten“ verschiedener Zeitungen auftauchen; mal mit schwarzhumorigen Funnies, über deren Geschmackssicherheit sich streiten läßt, und schließlich mit der Bearbeitung einer Kurzgeschichte von Philip K. Dick. hg
 
Molatsch # 1. 96 Seiten, s/w mit gelbem Umschlag, DIN A5. 2 Mark plus 2 Mark Porto. Molatsch, Essig Mederake, Töpfergasse 1, 06188 Landsberg
 
Ein Punk-Fanzine aus Sachsen - das ist zunächst mal nicht so ungewöhnlich. Schon zu DDR-Zeiten hat es zum Beispiel Underground-Cassettenlabels gegeben; wenngleich die Bedingungen natürlich ungleich schwieriger waren als im Westen. Die Molatsch-Macher verarbeiten gleich in ihrer ersten Ausgabe eine Fülle von Material. Der Comix-Anteil (alles von Zack) beträgt etwa zehn Prozent. Außerdem gibt es vier Seiten Comic-Rezensionen und einen allgemeinen Fanzine-Führer. Neben Bandinterviews (mit den Toasters) und Konzertberichten (Wizo, Lassie Singers) bringen die Sachsen auch viele ernsthafte oder lustige Betrachtungen zum Thema Rechtsradikalismus oder Nachwendezeit. Alles absolut lesenswert, insbesondere auch für uns Wessis, die wir sicher noch eine Menge über ostdeutsche Befindlichkeit zu lernen haben. aa
 
Todtenhauser Party Special. 76 Seiten, s/w, handgeklebt, DIN A5. Jo Guhde, Goebenstraße 37, 32423 Minden
 
Diese Party fand schon im April 1995 statt. Nun hat sich Jo Guhde endlich aufgerafft zu erledigen, was Stephen Janke eigentlich tun wollte, nämlich die zeichnerischen Ergüsse der Teilnehmer zu einem Partyheft zusammenzufassen. Aber keine Vorwürfe an Stephen - immerhin war er damals der freundliche Gastgeber. Gäste in Minden waren Alexander Pavlenko, Kim Schmidt, Maura, Matthias Langer, Michael Groenewald, Hartmut Klotzbücher, Rainer Baldermann, Tilo Göbel, Holger Bommer, Nicole Tiemann, Norbert Busch, Holger Krückemeyer, Jan Holm, Joy (ohne Anja), Bernd Frenz, Martin Jurgeit und Eckhard Schneider. Sie waren alle ziemlich aktiv, und die running gags drehten sich diesmal besonders um Jos Nase. Das Party Special (mit herausgegeben auch von Leviathan in Love) ist vermutlich nur unter den Partygästen verteilt worden, aber vielleicht könnt ihr bei Jo noch ein Exemplar bekommen - vorausgesetzt, ihr macht keine Scherze über seine Nase. aa
 
Mixer. # A. 52 Seiten, s/w mit farbigem Umschlag mit zweifarbigem Siebdruck, DIN A5. 6 Mark. Edition Mixer, c/o Hannes Schaidreiter, Pezzlgasse 6/16, A-1170 Wien
 
Dieses neue Fanzine kommt aus Österreich, wo sich eine Handvoll Comic-Newcomer zusammengetan und gleich - eigentlich typisch deutsch - einen Verein gegründet haben. Von einigen der beteiligten ZeichnerInnen und -Außen gibt es parallel dazu auch Einzelpublikationen, so daß sich der Mixer als Reader zum Antesten hervorragend anbietet. hg
 
Eine Kuh und mehr. 24 Seiten, s/w mit blauem Umschlag und Buntstiftcolorierung, DIN A5. Bezugsadresse wie oben („Mixer“) oder: Leopold Maurer, Hauptstraße 8, A-2454 Trautmann
 
Eine der oben erwähnten Einzelpublikationen aus der Mixer-Werkstatt. Zwei Freunde erhalten den Auftrag, ein Auto nach Italien zu überführen. Was ihnen unterwegs an Banalem und Obstrusem widerfährt, erzählt Leopold Maurer in einem herrlich skurrilen Strich. Einfach schön und von Eurem Rezensenten wärmstens empfohlen. hg
 
Markus Grolik: Böse kleine Welt. 52 Seiten, s/w mit vierfarbigem Umschlag, DIN A4-Album, Softcover, 12,80 Mark. Totenkopf Verlag, Stefan Riedl, Warthestraße 16, 81927 München
 
Kinder sind nicht nur süß, sondern häufig genug auch kleine Monster. Vorläufig ohne eigenen familiären Background bin ich dieser Erkenntnis erstmals auf Randy Newmans LP „Little Criminals“ (in „Short People“) begegnet. Markus Groliks Geschichten passen fast alle in diesen Zusammenhang; allzu böse sind sie allerdings nicht. Markus Grolik mag kleine Gemeinheiten. Würde mich nicht wundern, wenn er in der Schule gern seinen Kameraden die Jackenärmel verknotet hat (oder sie ihm verknotet wurden). Wird das böse Spiel ernster, dann läßt er die Geschichte elegant ins Phantastische hinübergleiten, wie etwa in „Sport ist Mord“, wo er einen sadistischen Sportlehrer auf acht Zentimeter Größe zusammenschrumpfen und ihn dann ein ‘Wettrennen gegen eine Kreuzspinne und seine Carrera-Rennautos laufen läßt („eine echte Kämpfernatur... gibt nie auf... kann einfach nicht verlieren“). Markus Groliks Zeichenstil geht bei flüchtigem Hinsehen in die düstere Munoz-Richtung. Entsprechend dem eher heiteren Grundton seiner Stories liegt jedoch die Stärke der Zeichnungen ebenfalls in der treffenden, ein bißchen gemeinen Karikatur. Ein sehr unterhaltsames, gutgemachtes Album. aa
 
Zettelmeiers Känguruh Cartoons. 20 Seiten, s/w mit rotem Umschlag, DIN A5. Zettelmeier, Habsburgerring 63b, 32425 Minden
 
16 Gags nur über Känguruhs - hat da einer eine überraschende, neue Comicfigur entwickelt? Bisher ist das noch nicht abzusehen, denn Zettelmeier, ein weiterer Mindener Zeichner, den ich aber bisher nicht kannte, beschränkt sich in seinem Band zunächst auf Naheliegendes: Känguruhs können gut hüpfen, haben einen großen Beutel, können boxen, und wenn sie einen Rüssel tragen, dann sind sie vermutlich verkleidet. Gezeichnet sind die Cartoons nicht schlecht (abgesehen von zu viel Schraffur); vielleicht wird ja noch etwas aus der Reihe. aa
 
Olaf Bathke: Everybody gives her a hard time. 8 Seiten, s/w, DIN A5. Olaf Bathke, Festungsstraße 4, 25832 Tönning
 
Viel zu sagen wäre über dieses Heftchen eigentlich nicht. Aber das Format, das Olaf gerade in der Szene populär macht, ist interessant. Acht Seiten eignen sich hervorragend für einen Schnellschuß. So kann man eben mal ein paar Ideen an ein paar Leute versenden. Olaf hat in dieser Art einen Korrespondenzcomic mit Herod gemacht (immer abwechselnd eine Fortsetzung), und jetzt mache ich sowas mit Herod... Zur Nachahmung empfohlen. aa
 
Alfred Bekker Magazin # 10. 12 Seiten, s/w, DIN A4. Alfred Bekker, Heilgenberg 88, 58540 Meinerzhagen-Windebruch
 
Wer hätte das gedacht: Neal Chadwick, Leslie Garber, Robert Gruber, Jack Raymond, Frank Larsen - hinter all diesen Namen verbirgt sich ein und dieselbe Person - Alfred Bekker (sicher ein weiteres Pseudonym). Scherz beiseite: Die Pseudonyme verwendet Alfred Bekker für Groschenromane unter anderem bei Bastei. Etwa 40 hat er nach eigenen Angaben inzwischen veröffentlicht. In seinem eigenen Magazin bevorzugt er die ganz kurze Form - um die 2000 Worte. Sieben Stories sind in diesem Band enthalten. Hier enthüllt sich kein verborgenes Schriftstellertalent, aber ein leidenschaftlicher Erzähler allemal. Der Kontakt zu PLOP war so etwas wie ein Mißverständnis, aber Alfred Bekker hätte nichts dagegen, wenn jemand seine Geschichten zu Comics verarbeiten möchte. aa
 
Moga Mobo # 11 und 12. Je 16 Seiten, s/w mit vierfarbigem Umschlag (# 12 plus farbiges A2-Poster), DIN A4, kostenlos in und um Stuttgart. Bostel Productions, Am Römerkastell 19, 70376 Stuttgart
 
Das Cover der elften Ausgabe des Stuttgarter Gratis-Comicmagazins ziert das Konterfei der Hauptgewinnerin der großen Moga Mobo-Schnitzeljagd aus # 10 - in stilechtem Bravo-Layout, komplett mit eingeklinkten Fotos von Rock- und Popgruppen wie „Mogadeath“ (voll evil, ey!), den „Mogay Moboys“ oder den „wahren Kellys“ (allesamt rekrutiert aus der Zeichnerschaft). Innen gibt’s unter anderem den Zweiseiter, mit dem Markus Rapka den Comicwettbewerb der Tübinger Aids-Hilfe gewann, sowie ein Miniheft zum Selberbasteln von Christoph Badoux aus der Schweiz (jawohl, MM hat seine Seiten jetzt auch für Nicht-Stuttgarter Zeichner geöffnet). Mit der # 12 gibt König Titus von Moga-Mobo seinen Abschied als Chefredakteur und stellt dabei mit den Comics „Stereo“ und „Porto Luna“ sowie der Coverillustration und einem Poster seine Vielseitigkeit unter Beweis. Außerdem geben die ICOM-Independent-Preisträger Markus Grolik und Stefan Dinter Gastspiele in dieser Ausgabe. hg
 
Zitty Comic # 2: Er hat gut landen. 100 Seiten, s/w mit Vierfarbumschlag, DIN A4. 6 Mark. Zitty-Verlag GmbH, Tempelhofer Ufer 1a, 10961 Berlin (Kreuzberg)
 
Zitty ist ein Berliner Stadtmagazin mit einem Faible für Comics. Hier wurde schon früh ein Sammelband mit Comics von Phil (Tägert) veröffentlicht, neulich auch einer mit Sachen von Freimut Wössner, und Sonderbände wie den vorliegenden macht man auch gern mal. Alle Beiträge - Comics, Cartoons, Collagen, Satiren - drehen sich um das Thema „Unsere Nachbarn im All“ (na gut, unsereins, der zum Raumflug aufbricht oder einfach fasziniert in den Nachthimmel starrt, kommt auch vor). Das Reservoir an guten Comiczeichnern und Cartoonisten in Berlin ist ganz beachtlich. Dafür, daß sie es ausschöpfen, gebührt Kriki und Kollegen trotzdem Anerkennung, denn neben etablierten Leuten wie Tom, Wössner, Kiefersauer (auch Mezieres ist drin) drucken sie auch viele Arbeiten aus der Fanszene. Daß sie das bewußt tun, davon zeugt eine Liste empfehlenswerter Fanzines am Ende („Blick in den geheimnisvollen Kosmos“), wo der Bogen von Strapazin bis Omi geschlagen wird. Anderen kioskfähigen Publikationen - mit vermutlich weit geringere Auflage als Zitty - würde man eine ähnliche Aufgeschlossenheit wünschen. aa
 
Bernd Stein: Hamburg City-Blues. 60 Seiten, vierfarbig, Softcover DIN A4-Album, 14,80 Mark, Screen Line, Große Elbstraße 146, 22767 Hamburg
 
Bernd Stein hatte schon immer den Big City Blues. Als ich ihn vor zehn Jahren kennenlernte, hatte er dazu einen ziemlich nichtsnutzigen, gitarrespielenden Bluesbären an der Hand. 1993 schickte ihn das „große Strichmännchen“ zur Redaktionskonferenz von „Hinz & Kunzt“, der Hamburger Obdachlosenzeitschrift, von der gerade die erste Ausgabe erschienen war. Und Bernd erkannte, daß Obdachlose die ideaIen Protagonisten seiner Blues-Geschichten sind. So begannen Sven Hinz und Ollie Kunz (und die Möwe Henning) ihr Comic-Dasein, und Bernd liefert seitdem monatlich einen ein- bis dreiseitigen farbigen Comic aus dem Milieu. Das Heft wird nicht nur von Obdachlosen verkauft (damit sind sie in der Lage, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen), sondern enthält auch Beiträge von ihnen. Ebenso spinnt sich Bernd seine Geschichten nicht selbst zusammen, vielmehr bieten sie einen authentischen Einblick in ihr alltägliches Leben. Eindeutig Bernds Handschrift ist dagegen die heiter-melancholische Stimmung der Stories. Hier wird für eine uns fremde Lebensweise Verständnis erzeugt; meist schauen wir ja weg oder machen uns so unsere ziemlich irrigen Gedanken über „Penner“. aa
 
Wenn der Glöckner auch noch singt...
 
Victor Hugos „Glöckner von Notre Dame“ hätte wohl kaum einer für eine brauchbare Vorlage für einen Familienfilm gehalten, obgleich der Stoff ja schon mehrmals erfolgreich verfilmt wurde. Den Japanern hätte man das ja vielleicht noch zugetraut, aber Disney, dem Garanten für Niedlichkeit? Mutig, mutig... Das Resultat ist durchaus interessant: Der Glöckner wird als deformierter Jugendlicher dargestellt, naiv und stark, ein wenig auch an den alten Hulk erinnernd. Er lebt einsam im Glockenturm von Notre Dame, wo ihn der strenge, brutale Richter Frollo erzieht, durch dessen Schuld Quasimodos Mutter zu Tode kam. Aus Einsamkeit unterhält er sich mit den Steinfiguren der Kathedrale, die - disneygerecht - prompt als lebendig dargestellt werden und die typischen lustigen Nebenfiguren abgeben. Zwei davon heißen auch noch Hugo und Victor - get it? Niedliche Idee, vor allem ihre Fortbewe-gungsart ist drollig, und die Kinder in der Vorstellung, die ich besuchte, mochten sie sehr. Davon abgesehen ist die Story erstaunlich ernst und originalgetreu. Frollo will die Stadt von Zigeunern „säubern“, obwohl er sich zur schönen Esmeralda auch hingezogen fühlt. Er gibt dem Captain den entsprechenden Auftrag, und ein Gewirr von Flucht und Rettung folgt. Der Captain hat ein gutes Herz und erhält den Prinzenpart (oder die Prinzenrolle?) in der Geschichte und auch das Mädchen. Der Böse wird bestraft (mehr verrate ich nicht). Und Quasimodo der Glöckner findet zumindest etwas Anerkennung. Das Ganze erinnert in der Inszenierung sowohl an „Die Schöne und das Biest“ als auch an „Pocahontas“. Die Figuren sind unterschiedlich gut gelöst, von den Super-Steinmonstern über den etwas verzerrten, aber überzeugend sympathischen Quasimodo und den beeindruckend streng-düsteren Frollo bis zur manchmal etwas entgleitenden Esmeralda, die in einer Tanzszene als einzige Figur Airbrushcolorierung erhält, was merkwürdig wirkt, und dem recht hölzernen Captain Phoebus, der manchmal im Vergleich zu den anderen besser animierten Figuren wirkt wie ein Flüchtling aus einem He-Man-Film. Die Musik schien mir etwas altbacken, aber da ist man seit „König der Löwen“ halt recht verwöhnt. Die Farben kommen gut. Grafisch beeindruckt vor allem die Kathedrale, die Festszenen und die Verfolgungsjagden über Treppen, durch Gänge und enge mittelalterliche Höfe. Inhaltlich hinterläßt das Ganze ein merkwürdiges Gefühl. Tragisch und komisch, erwachsen und doch verzuckert wirkt der Film etwas unentschieden. Es ist immerhin neu, daß Disneyritter mit siedendem Blei hantieren und daß eine Art Rassenthematik in einem solchen Werk kritisch verarbeitet wird. Auch wirkt Quasimodo als menschlicher Außenseiter viel wirklicher als etwa das Biest aus dem früheren Film „Beauty and the Beast“. Herod vergibt zweieinhalb Sterne und eine Tüte Popcorn.