Plop 60
Besprechungen
Andy: Comic Strips. 20 Seiten, s/w, 3 mal 42 Zentimeter. Dachshund
Books, P. O. Box 8892, London SW 15, Great Britain. bugpowder.com/andy
Ist das ein Fall für Piccolo-Fans? Es gibt ja Leser, die die Rezensionen nur
nach den Formaten absuchen. Wie auch immer, auf jeden Fall wollte Andy mit
dem Format seines neuen Hefts den Vogel abschießen, und natürlich ist ihm
das gelungen. Mein Exemplar ist allerdings schon nach ein paar Wochen
ziemlich zerknickt und zerknittert, weil man ein Heft in diesem Format
einfach nicht vernünftig aufbewahren kann. War's das wert, sich dafür
stundenlang hinzusetzen, DIN A 3-Kopien zu zerschneiden und die Streifen
zusammenzutackern? Nun nach zehn Zeilen Vorbemerkungen zum Inhalt. Andy hat
hier 20 seiner Konky-Abenteuer versammelt, die ja auch schon in PLOP zu
sehen waren, alle ziemlich komisch, alle ohne Worte und alle auch ein
bißchen extraordinary. Das zu betonen, wäre aber das extreme Format
eigentlich nicht notwendig gewesen. aa
Christian Dülpers: Dülp's derbes Dasein # 1. Endstation Trunksucht. 48
Seiten, s/w, DIN A 4, 4 Mark. Assfred Comics. Luxemburger Straße 3250674
Köln. www.assfredcomics.de
Diesen auf den ersten Blick etwas anfängerhaften Comic mit Panels bis an den
Seitenrand (weil man sich ein paar Linealstriche sparen will), mit Grautönen
durch grobmotorisches Buntstift-Schraffieren, mit einem recht ungelenken
Zeichenstil - den unterschätzt man sehr leicht. Aber nicht mehr, wenn man zu
lesen begonnen hat. Denn unversehens wird man in die 44seitige Geschichte
hineingezogen, die sich plötzlich entfaltet und am Ende eine Fortsetzung
verspricht. Der Protagonist, dessen Name dem des Zeichners verdächtig
ähnelt, liegt mit zwei gebrochenen Armen im Krankenhaus und erzählt zwei
Freunden, wie das passiert ist. Und nach dieser kleinen, nicht ungeschickten
Rahmenerzählung sehen wir ihn im Rückblick, wie er die attraktive
Zwillingsschwester seines Freundes kennenlernt. Die hat eben ihr Jurastudium
geschmissen und mußte deshalb zuhause ausziehen. Dülp reagiert instinktiv,
schmeißt einen "Parasiten" aus seiner WG raus und bietet Alex, der
Traumfrau, das frei gewordene Zimmer an. Mit seinen WG-Genossen vereinbart
er, daß er sie zuerst anmachen darf, weil er sie "entdeckt" hat, aber dann
bringt er nur eine dumme Kumpelbeziehung zustande. Schließlich will er sie
in seiner Not zu einer Studentenfete mitschleppen, sie und sich betrunken
machen, um endlich an sie ranzukommen, aber sie kommt nicht mit. Sie taucht
erst auf der Party auf, als er schon ziemlich breit ist - und dann muß man
schon des zweiten Teils harren. Diese Story ist durchaus alltäglich,
offensichtlich autobiografisch gefärbt, aber flüssig erzählt, mit vielen
witzigen Details und lebendigen Charakteren. Und spätestens an dieser Stelle
muß erklärt werden, daß auch die Zeichnungen nicht wirklich dilettantisch
sind, sondern auf genauen Beobachtungen beruhen und die Figuren mühelos
plastisch machen. Was aus Dülp und Alex geworden und wie er letztlich im
Krankenhaus gelandet ist, das kann man nur im zweiten Teil nachlesen. aa
Andreas Fecke: Go. Eine Einführung (Oktober 2000). 16 Seiten, s/w, DIN A 6.
Andreas Fecke, Garfelner Straße 41, 59558 Lippstadt
Schachfiguren bringen sich gegenseitig das alte chinesische Brettspiel Go
bei. Wer nur die lustigen Strips von Andreas Fecke mag, ist mit diesem
Heftchen nicht gut bedient. Denn hier steht der Comic klar im Dienst der
Vermittlung der Spielregeln. Ich habe aber noch nie eine so leicht
verständliche und gleichzeitig unterhaltsame Spielanleitung gelesen, obwohl
bei Go nur das Prinzip simpel, die Spielwertung dagegen ganz schön
kompliziert ist. aa
Paul Hoppe / Boris Kahl: Muster. Alexander Pavlenko: Vampire in der Stadt.
Je 36 Seiten, s/w mit Farbcover, DIN A 5, 5,90 Mark. Fake Press, Andreas
Heinze, Schultheißstraße 13, 46047 Oberhausen
Vor etwa 30 Jahren waren Comix über Drogentrips ziemlich en vogue. Das waren
manchmal Traumgeschichten, die dann die Frage nach der Realität aufwarfen,
und das war dann immer auch ein bißchen unheimlich. Die Zeiten der
Alternativkultur sind vorbei, aber in diesem Comic, der auch mit einem
Drogentraum beginnt, kehrt die Frage nach der Realität in modernem Gewand
zurück. Die Heldin schluckt auf einer Party eine Pille - und findet sich
wieder festgelötet auf einem Computerchip. Sie erfährt: Sie befindet sich in
einer Welt, in der sich die Menschen von Computern freiwillig in eine
virtuelle Realität schicken ließen - nur zum Spaß, als Entertainment. Die
Computer ließen sie aber nicht mehr zurückkehren und übernahmen die Macht.
Jetzt kämpfen die Menschen um ihre Freiheit. Ist das ein Traum oder
Realität? Das haben Hoppe und Kahl recht ansprechend und ziemlich spannend
in Szene gesetzt. Endlich mal ein Comic, der richtig ins bei Fake Press
vorgegebene 32-Seiten-Format paßt. Bei Alexander Pavlenko geht es um einen
Alptraum, allerdings ohne unterschiedliche Wirklichkeits-ebenen. Er wärmt
vielmehr den Vampir-Mythos auf und gibt ihm einen starken erotischen
Anstrich. Für Filmtheoretiker ist das freilich nichts Neues: Wie ein Vampir
Frauen anfällt und sie in den Hals beißt - das ist zweifellos ein Bild
sexueller Verführung und der Aggressivität in der Sexualität. Hier bleibt
die Sache zunächst nur deshalb im Dunkeln, weil sich die Gegner auch mit
normalen Schußwaffen gegenseitig wegpusten. Am Ende helfen aber nur Kreuz
und Pfähle, und da wird die Geschichte dann enttäuschend konventionell.
Alexander Pavlenko entschädigt aber zumindest mit sehr ungewöhnlicher,
expressionistischer Grafik. aa
Levin Kurio / Roman Turowski: Kampf der Tita-nen # 2 (von 3). Je 28 Seiten,
s/w mit Farbcover, Comicbookformat, 5 Mark. Weissblech Comics, An der
Landstraße 5, 23758 Kükelühn. www.weissblech.com
Diese Comicserie ist genauso anspruchslos, wie von ihren Machern im Vorwort
annonciert. Aber daß sich die beiden bisher erschienenen Hefte flüssig
weglesen und daß man nicht penetrant das Gefühl hat, sich unter Niveau zu
amüsieren, ist schon mal ein gutes Zeichen. Weißblech-Chef Levin Kurio hat
hier einfach zwei Figuren aus früheren Produktionen in einer deftigen
Fantasy-Kulisse aufeinander gehetzt: Alky Halky und den geifernden Grapsch.
Im zweiten Heft kommt Bella Star, die Sternenhure, hinzu. In der
abschließenden dritten Ausgabe ist ein neues Monster namens Megatonn
angekündigt. Sicher geht es letztlich nur um zünftige Prügeleien, aber das
Ganze ist doch in eine halbwegs sinnvolle und sogar spannende Dramaturgie
eingebunden. Roman Turowski hat Kurios Bleistiftzeichnungen atmosphärisch
dicht geinkt, so daß auch das optische Vergnügen nicht zu kurz kommt. Das
Urteil der Comicbewertungskommission: Warum nicht? aa
Kyobi: Fritzi der kleine Werwolf. 16 Seiten, s/w mit handcoloriertem Cover,
21 mal 21 Zentimeter. Hal, the Crocodile # 1. 20 Seiten, s/w mit
handcoloriertem Cover, Piccoloformat. Beide Kyobi-Productions, Jürgen Reuss,
Erich-Ollenhauer-Straße 168, 65199 Wiesbaden.
Hoffentlich ist Kyobi nicht ein Pseudonym von Jürgen Reuss, denn den kenne
ich persönlich und habe ihn auch vor nicht allzu langer Zeit noch auf der
Frankfurter Buchmesse gesehen. Nach diesen beiden Heften habe ich ihn
allerdings zu fragen versäumt, und jetzt tappe ich hinsichtlich ihrer
Vorgeschichte im Dunkeln. Kyobi hat jedenfalls einen eigenwilligen, nicht
ganz perfekten, aber ausdrucksstarken Schraffur-Stil. Die ziemlich skurrile
Geschichte des Werwolfs Fritzi wird in ihrem Heft großzügig dargeboten. Der
Comic ist nämlich eigentlich nur sieben Seiten lang. Krokodil Hal redet
englisch, liegt meistens auf der Lauer nach Beute, spielt aber auch Gitarre
und wird sogar mal zu einer Kroko-Handtasche verarbeitet. Die beiden Hefte
sind zumindest die Visitenkarte eines Talents, das man nicht allzu sehr
verkramen sollte. aa
Martin Muck: Musenmalheur. 20 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Comicbookformat.
Auenland-Verlag, Holger Much, Konradin-Kreutzer-Straße 32, 72458 Albstadt
Martin Mucks "Musenmalheur" erschien als Beitrag zum Kunstwettbewerb "Die
Stadt und ich" anläßlich des Jubiläums "25 Jahre Albstadt". Das dünne
Heftchen wurde zumindest teilweise durch Werbung finanziert, die den
zwölfseitigen Comic umrahmt. Was sich die Herren Much und Muck bei der
Herausgabe dieses Werks gedacht haben, weiß ich jedoch nicht. Die
Zeichnungen sind zwar nicht schlecht, der Text jedoch ein bißchen dürftig.
Martin Muck erfährt von dem Wettbewerb zum Stadtgeburtstag und sucht nach
einer guten Idee. Seine Muse will ihn nicht küssen, weil sie ins Nagelstudio
will. Das war's. Auf dem Cover ist als Verlagsangabe noch "Edition Naja"
genannt - nomen est omen. Dafür wurde das Heft aber wahrscheinlich umsonst
verteilt. Mehr unter kleinmuck@yahoo.de. Jo84
Rost und Dr. Stein: Steinzeit-Adventures # 2, 6.80 Mark. Zwerchfell
Der PLOP-Lesern noch als Bernd Gronenberg durch den mäuseohrigen Bluesbär
bekannte Dr. Stein hat seine eigene Heftreihe bei Zwerchfell. Im Farbcover
mit einem unglücklicherweise bei "Superman Adventures" geklauten Schriftzug
(ich sage "geklaut", weil das Heft nun überhaupt keinen Bezug zu Superman
oder TV-Cartoons hat) präsentieren sich unterschiedlich gelungene
abgeschlossene Geschichten. Stein erfüllt sich den Traum fast jeden
Funnyzeichners von einer marsupilamihaften Fantasieschöpfung in den
saurierrattenhaften "Schietbüdeln", die mir allerdings schon im zweiten Heft
langweilig werden, auch die Heldin Clara, die wohl Ähnlichkeit mit Lara
Croft aufweist, aber auch wieder keine richtige Parodie ist, überzeugt mich
nicht. Hübsch abgedreht sind die "Wunderwelt des Kosmos"-Stories, auch
"Wahnsinnig & Erfolgreich" ist als Idee nett, obwohl ich mir nach der
Vorankündigung in # 1 mehr davon versprochen hätte, Insgesamt finde ich
Steins Zeichenstil etwas zu grobschlächtig für Funnies. Die ständig in
rechtwinkliger Armhaltung herumhektenden Figuren wirken ein bißchen wie die
Donald-Duck-Nebenfiguren bei Volker Reiche: kaum eine Figur ist wirklich
niedlich, und das paßt zu seinen eigentlich ziemlich harmlosen Stories
wenig. Insgesamt aber gut lesbar, nur zu teuer! Herod
Robert Wenzl: Galipoli. 80 Seiten, s/w, DIN A 4-Querformat. Robert Wenzl,
Rottendorfer Straße 6, 97072 Würzburg
Lange ist es ruhig gewesen um Robert Wenzl, der in dem nicht mehr
existierenden Verlag Emu Graphics seine philosophischen und stimmungsvollen
Kurzgeschichten veröffentlichte. Er war schon immer ein Mei-ster des klaren,
reduzierten Strichs gewesen, den er in seinem neuen Werk auf die Spitze
treibt. Die Geschichte des Büroboten Robert, der beschließt, als Meraklit
auf dem direkten Weg zu der kleinen Mittelmeerinsel Galipoli zu wandern, ist
nicht einmal getuscht. In Galipoli herrscht keinerlei Logik, und auch
Meraklit verdrängt alles, was er über die Gesellschaft weiß, und geht
konsequent über Zäune und Autobahnen geradeaus. U-Haft und geschlossene
Abteilungen können ihn nicht aufhalten. Aber wird er tatsächlich ankommen?
Liegt sein Galipoli überhaupt tatsächlich in Italien? Ausgehend von dem
Vorsatz, einmal alle Bedenken und alles Wissen auszuschalten und einfach zu
tun, was man gern tun würde, zeichnet Wenzl seine augenzwinkernde
Bilderzählung ziemlich simpel herunter. Da er jedoch ein Meister der
Stimmungen ist, kann sich der Leser leicht in Meraklit hineinversetzen,
obwohl er jedem einfach nur schwachsinnig vorkommen muß. Ich bin mir nicht
sicher, ob dieses Werk überhaupt für die Allgemeinheit und nicht für Robert
Wenzl allein bestimmt ist, denn meine Version des nachdenklich stimmenden
und traumanregenden Werks ist anscheinend auf 15 Exemplare limitiert. Jo84
Alfred Bekker Magazin # 36. MS-DOS formatted, 1,44 MB, 3,5''-Diskette,
gratis. Alfred Bekker, Hei-lgenberg 88, 58540 Meinerzhagen-Windebruch
Alfred Bekker ist ein sehr routinierter, findiger und pro-duktiver
Romanschreiber. Unter Pseudonymen wie Neal Chadwick, Leslie Garber, Robert
Gruber, Jack
Raymond und sogar Janet Farell schreibt er regelmäßig für Bastei oder
Kelter. Schon früher hat er mir gelegentlich sein Fanzine zugesandt, in dem
er offenbar Reste und Abfälle seiner Schriftsteller-Werkstatt verwertet. Da
Romanautoren anscheinend seit einiger Zeit mit Disketten arbeiten, hat es
sich für ihn sicher angeboten, auch sein Magazin gleich auf Diskette zu
versenden. Ich war überrascht, wie viel auf eine solche 3,5''-Diskette
draufpaßt. Alfred Bekker wies mich extra darauf hin, daß auf der Diskette
auch einige Comics gespeichert sind (da pflegt er insbesondere das
Stilmittel der Collage). Und solche JPEG- oder TIF-Dateien kosten schon
Platz. In die verbleibenden Lücken passen aber noch ein Bericht über den
Comic Salon, ein ausführliches Interview mit Superman-Zeichner Joe
Rubinstein, einige Kurzgeschichten und ein Romanauszug sowie
Verlagsnachrichten. Ausgedruckt wären das wohl um die 30 Seiten. Vielleicht
ist also die Diskettenform eine Alternative auch für andere
Fanzineherausgeber. aa
cOMIc # 43 bis 45. Je 28 Seiten, s/w, DIN A 5, im Tausch gegen andere
Fanzines. Gerd Bonau, Gabelsberger Straße 14, 24148 Kiel
Eines der langlebigsten und konstantesten deutschen Fanzines ist mit Ausgabe
45 eingestellt worden. Über die Gründe teilt Gerd Bonau nichts mit. Die Art,
wie er hinter sein Fanzine zurückgetreten ist, wird am Ende sozusagen auf
die Spitze getrieben. Denn wenn man zehn Jahre lang oder so ein Magazin
herausgebracht hat, könnte man doch mindestens einen Satz dazu verlieren,
warum man das künftig nicht mehr tun will. Vielleicht hat die Einstellung
von "cOMIc" in der Szene auch deshalb einen solchen Schock ausgelöst, weil
die Leser alle möglichen Tragödien in die Einstellung hineinphantasieren.
Ich für meinen Teil bin schon auch traurig, daß es "cOMIc" nicht mehr gibt.
Mit Gastartikeln und Gastrezensionen war am Ende eine eigentlich
hoffnungsvolle Entwicklung abzusehen, was den doch dürftigen redaktionellen
Teil betrifft. Da hat sich Gerd, wenn man ihn darauf ansprach, jedenfalls
immer mit dem Hinweis verteidigt, Schreiben liege ihm nicht so, und wenn er
längere Artikel verfassen müßte, würde er mit der neuen Ausgabe nie fertig.
Das klingt plausibel und muß man akzeptieren. Wenn ich auf die lange
Geschichte dieses Fanzines zurückblicke, die ich fast von Anfang an
mitbekommen habe, muß ich gestehen, daß mir "cOMIc" nach einiger Zeit etwas
langweilig geworden ist. Das liegt aber nur daran, daß ich die hier
veröffentlichten Comics anfangs aber wirklich total abgefahren fand. Die
Fallhöhe war beträchtlich. "cOMIc" hatte aber immer gute Mitarbeiter, und
ich gestehe ohne weiteres zu, daß die Qualität der Beiträge durchgehend okay
und oft besser als in PLOP war. Von Gerd Bonau weiß ich noch, daß er das
Fanzine herausgab, weil er sich für einen nicht so guten Zeichner hielt. Wer
sich den alten Gerd-Bonau-Comic in PLOP # 58 angesehen hat, merkt daran
auch, daß er schon ganz schön hohe Ansprüche hatte. Ich hoffe, Gerd Bonau
wird der Comicszene in irgendeiner Form weiter erhalten bleiben. Er dürfte
ja jetzt genug Hefte zum Tauschen haben. aa
Comicaze Sonderheft: Was ist so schlecht an Negativ? 52 Seiten, s/w mit
Farbumschlag, DIN A 4. Comicaze e. V., Dachauer Straße 300, 80993 München
Anscheinend von 1998 ist diese Super-Compilation der Comicarbeiten von 13
verschiedenen Künstlern, die alle ein beachtliches Maß an Können und
Eigenständigkeit mitbringen. Die Künstler, die alle mit einem Negativbild
kurz vorgestellt werden, bearbeiten (mehr oder weniger) das vorgegebenen
Thema nur in einem Bild (Gerhard Schlegel und Elke Reinhardt), einem
Einseiter oder mehreren Seiten. Neben bekannteren Namen wie Gabriel Nemeth
oder Frank Schmolke finden sich vor allem noch recht unbekannte Newcomer.
Das Heft kommt ohne Werbung aus und ist stilmäßig gut gemischt. Schade, daß
das Heft nur ein Oneshot ist und keine öfter erscheinende Reihe. Aber ich
sollte wirklich nicht alles so negativ sehen. Jo84
Das Dosierte Leben # 18 (Herbst 2000). 60 Seiten, s/w, DIN A 4, 6,12 Mark
(inklusive Versand). Jochen König, Obere Riedstraße 57, 68309 Mannheim
Dieses Literatur-Fanzine pflegt nach eigener Darstellung den Dadaismus. Das
bedeutet nicht, daß den Texten aller Sinn brutal ausgetrieben wird. Vielmehr
verschieben die Autoren in der Regel die Bedeutung in ihren liebevollen,
kleinen Geschichten nur ein kleines Stück, wodurch meist eine leise Komik
entsteht. Das wirkt fast beiläufig, obwohl ein eleganter Stil bewußt
angestrebt wird. Dada ist heute Hochkultur und wird hier auch bewußt so -
ein wenig elitär - gepflegt. Das Impressum auf der vorletzten Seite ist
beinahe ein Nachwort. Eine Einführung gibt's auch, aber keine Leserbriefe,
so daß die Szene um das Magazin her nicht recht sichtbar wird. aa
Der ganz alltägliche Wahnsinn. 48 Seiten, s/w, DIN A 5, 3,50 Mark. Anja &
Thorsten Schmidt, Osterfeldstraße 3 A, 32457 Porta Westfalica
Um den alltäglichen Wahnsinn nicht nur erkennen, sondern auch beschreiben zu
können, ist einige Lebenserfahrung nötig. Erfahrung, die Jo84 inzwischen in
seinem Mindener Comicladen ausgiebig gesammelt hat. Er verfügt auch noch
über genug Selbstironie, um seinen täglichen Medienkonsum (der wohlgemerkt
schwerpunktmäßig Comickonsum ist) in diese Kategorie einzureihen. Viele
andere Mitwirkende an Anja & Joys neuester Anthologie scheitern dagegen an
dem einladenden Thema. Routiniers wie Ralph Görtler, Lutz Mathesdorf, Kim
Schmidt oder Karsten Schley liefern eher durchschnittliche Kalauer ab. Auch
Nachwuchsleute wie Aaron Jordan und Moritz Stetter haben wohl den richtig
wahnsinnigen Alltag noch nicht kennengelernt. Aber das Heft ist umfangreich
genug, um doch ein paar Beiträge zu bieten, die okay sind und im Gedächtnis
bleiben: Andreas Fecke, Andreas Eickenroth, Rudolph Perez oder Bernd Teuber
drehen leicht ins Absurde, Roman Turowski (allerdings mit einer nochmal
aufgewärmten Geschichte) und Gerd Bonau ins Unheimliche. Anja & Joy selbst
steuern eine längere Geschichte bei über Nina, die sich selbst "zu normal"
vorkommt. Sie legt den Akzent eher auf "Alltag", ebenso wie die
eigentümliche Coming out-Story von Christiane Schlicht. Insgesamt kein
völlig gelungenes Magazin mit einer aber allemal interessanten Mischung von
Beiträgen. aa
ineinander # 1. 36 Seiten, s/w mit Farbcover, Comicbookformat, 5,90 Mark.
der-eigen-verlag, Mainzer Straße 18, 12053 Berlin. ISBN 3-934948-13-8.
www.eigen-heim.com
Hinter diesem Projekt steht Herausgeber Dirk Schwie-ger, der vermutlich auch
die beiden langen Comics in dem Band gezeichnet hat. Ein Strandspaziergang,
ei-ne Wohnungsbesichtigung, banale Erlebnisse, die durch eigenwillige
Dialoge und die sehr atmosphärische Grafik in Comic-Kunst verwandelt werden.
13 Bände will Schwieger insgesamt herausgeben, und in jedem Band will er
auch andere Künstler präsentieren, diesmal sind es Patrick Wichtler mit "Ein
Probelauf" und Silke Schmidt (Zeichnungen) und Tilman Ramm-stedt (Text) mit
"Alte Hasen", "die im Stil so Richtung Feuchtenberger/tom Dieck gehen, auch
wenn beide das nicht wirklich gerne hören" (schreibt Schwieger). "In Zeiten
von Dino muß man halt zusammenhalten", schreibt er auch noch. aa
Kreativo # 32 und 33 (September und Dezember 2000). Je 32 Seiten, s/w, DIN A
5, 3 Mark. Kreativo Projekt, Birke, Postfach 2022, 58470 Lüdenscheid
Noch keine Ermüdungserscheinungen sind bei Birkes höchst sympathischem
Sammelsurium-Fanzine zu erkennen. Daß seit kurzem neben Comics,
Illustrationen, Cartoons, Rezensionen und sonstigen Texten immer mehr
Gedichte in "Kreativo" auftauchen, auch welche von der Sorte: "Du bist so
schön wie eine Rose, / Die in meinem Garten blüht, / Der sanfte
Frühlingswind, der dich umweht, / Mein Herz, das glüht." (soll offenbar
keine Parodie sein), daran kann ich mich nur schwer gewöhnen. Dazu werden
die Gedichte auch noch unvorteilhaft präsentiert, indem Birke möglichst
viele davon auf eine Seite quetscht. Nachdem ich ihr das auch mal
geschrieben habe, habe ich sogar einen Antwortbrief erhalten (sonst
antwortet sie nur im Magazin): "Wenn es nach meinem Geschmack ginge,
bestünde "K!" nur aus zwei bis drei Gedichten, fast ausschließlich
Ghost-Illustrationen und hier und da n Comic. Irgendwie muß ich da aber den
goldenen Mittelweg finden, da doch viele Lyrikbegeisterte "K!" lesen und
abonnieren. Ich hoffe, Du hast Verständnis dafür?!" Das klang nun schon fast
panisch, aber da ich in PLOP schon sehr verschiedene Beiträge zulasse,
braucht Birke gewiß nicht zu befürchten, daß ich ihr ein bestimmtes
Fanzine-Konzept aufzwingen möchte. Mag sie also ruhig weiter den goldenen
Mittelweg suchen. Ich habe noch immer an jedem neuen "Kreativo" meinen Spaß.
aa
Lightshade Comix # 1. Der Fluch der Unmenschlichkeit. 52 Seiten, farbig,
Comicbookformat, 6,95 Mark. Vertrieb Karicartoon Verlag
Die Macher Maxim Sacharow, Florian Elsebach und Swen Schmidt, alle zwischen
1979 und 1981 geboren, haben sich bei diesen Projekt sicher in ziemliche
Unkosten gestürzt. Teures Papier, teurer Druck und vor allem hohe
Herstellungskosten der Seiten. Leider entspricht das fertige Produkt in
keinster Weise den hochgesteckten Zielen, die sich das Lightshade-Team
gesetzt hat. Das Projekt soll die Vision etwas Eigenständigen, nie
Dagewesenen verwirklichen, nämlich der Verbindung der verschiedenen
Kunstrichtungen Fotografie, Malerei und Computer-Grafikdesign, als Comic auf
Papier. In einer Auflage von 1000 Stück wurde also dieser Prolog zu einer
längeren Geschichte gedruckt. Viele der Seiten sehen leider ziemlich
fürchterlich aus. Grottenschlechte Zeichnungen wurden über unscharfe Fotos
geklatscht, dazu sterile Sprechblasen und Fettdruck-Computerlettering. die
Fotos und Zeichnungen wurden dann so verändert und eingefärbt, daß man fast
gar nichts mehr erkennt. Nichts gegen psychedelische Farbgebung, aber auch
die macht aus Scheiße kein Gold. Der Erzähler schwelgt in pathetischen
Worthülsen, und textlich werden nur drei Personen vorgestellt, die wohl in
Teil zwei zusammentreffen sollen. Schade, daß ein so ambitioniertes Projekt
so mangelhaft umgesetzt wurde. Gute Ansätze sind nur wenige zu erkennen, und
die meist auf ganzseitigen Illustrationen außerhalb der Hauptstory. Bleibt
zu hoffen, daß Teil zwei, sofern er je erscheint, besser aussieht. Jo84
Maskenball # 15 (Juli 2000). 56 Seiten, s/w, DIN A 5, 6,50 Mark. Martina
Faber und Jens Neuling, Postfach 1261, 63514 Rodenbach. e-Mail:
maskenball@freenet.de oder maskenball1@aol.com. Homepage:
www.der-maskenball.de
Was Comic-Fanzines meist verwehrt ist, scheint dieses Literatur-Fanzine zu
schaffen: Mitarbeiter haben es zu weiteren Veröffentlichungen gebracht, und
es klingt so, als seien das zumindest teilweise Schritte in die
Professionalität. Herausgeber Jens Neuling kündigt auch an, er wolle seinen
Mitarbeitern künftig Honorare zahlen. Dafür müßten zwar einige Hefte mehr
verkauft werden, aber auch das will man tatkräftig in Angriff nehmen. Die
Kehrseite von Geld und Geschäft tritt dagegen schon jetzt im Vorwort zu
Tage: "Bitte, dieses gegenseitige Zerfleischen, Beleidigen, Aburteilen usw.
ist nicht sehr förderlich! Vor allem in eurem eigenen Interesse, und daran
scheint ihr ja ausschließlich interessiert zu sein. Das Einzige, was ihr
damit erreicht, ist die Isolation für eure Institution oder euer Medium."
"Maskenball" ist allerdings kein Skandal-Magazin, sondern ein sehr gut
zusammengestelltes, anspruchsvolles Magazin für Lyrik und Kurzprosa. aa
Mischer # 00. 60 Seiten, s/w, DIN A 6. Claudia Bernhardt (im Atelier V51),
Vereinsstraße 51, 20357 Hamburg
Claudia Bernhardt ist wieder da und mixt erfreulicherweise fleißig weiter.
Weil es schon ein Magazin namens "Mixer" gibt, hat sie ihr Heft, auf das der
Name hervorragend paßte, nach zehn Ausgaben ein wenig umbenannt. Die
Mitwirkenden müssen ihre Beiträge nun auch nicht mehr wie früher in
100facher Ausfertigung einreichen; Claudia übernimmt den Druck jetzt selbst.
Am Konzept hat sich aber sonst nichts geändert. Wie vor ihrer Afrika-Reise
ist das Heft eine bunte Zusammenstellung aus Beiträgen grafischer oder
textlicher Natur, darunter nur wenige echte Comics. Viele Beiträge lassen
sich nur mit Mühe enträtseln, aber insgesamt hat man eine faszinierende
Fülle von künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten vor sich, die zur
Auseinandersetzung einladen. aa
Napartheid # 29. 56 Seiten, s/w mit Farbcover, DIN A 4, 300 Peseten.
Napartheid, Martzelo Zelaieta karrika, 75.AA1 aretoa, 31.014 Irunea.
www.napartheid.org
Wie gewohnt, muß ich es auch diesmal mit einem allgemeinen Hinweis auf
dieses gut gemachte, anspruchsvolle, wohl auch politisch ambitionierte
Comicmagazin aus dem Baskenland belassen, weil ich die Sprache nicht
verstehe. Nach dem optischen Eindruck gibt es diesmal das Rahmenthema "Kunst
" oder "Der Künstler und sein Werk". Im Internet ist immerhin eine
Selbstdarstellung der Gruppe, die das Magazin macht, auf Englisch zu
entdecken - und die "Fanxi-noteka", eine wirklich beeindruckende Sammlung
von Fanzines aus aller Welt (PLOP eingeschlossen). aa
Natsu-Yasumi # 2. 24 Seiten, s/w mit Farbcover, DIN A 4, 5 Mark
Der Chat im "Comicforum" hat mich endlich auf die Spur der Manga-Fanszene
gebracht. Obwohl es tausende von Manga-Fans gibt, habe ich bisher noch kein
Fanzine gesehen. Dies ist das erste; sein Titel bedeutet "Sommerferien" und
deutet auf die Gründungszeit hin, wie mir die Herausgeberin mitteilte. Sie
beherrscht übrigens 80 Buchstaben des japanischen Alphabets, hat aber mit
der Grammatik noch Probleme. Das Heft ist digital kopiert, damit die
Abbildungen besser rauskommen. Mein Eindruck: Der Manga-Fan scheint
Orientierung im unübersichtlichen Angebot zu brauchen. Hier wird vor allem
auf Neuveröffentlichungen hingewiesen, überwiegend ausländische, und dabei
werden in der Regel ausführlich die beteiligten Charaktere vorgestellt (samt
Hinweis der jeweiligen Autorin, welcher von ihnen besonders "goldig" ist,
oder unmißverständlich: "Er ist mir!!!"). Hinzu kommen diverse Nachrichten
und nur vier Seiten Comics und Illustrationen - es sind angeblich trotzdem
mehr als in der Debütnummer. Vielleicht gibt's deswegen so wenige
Manga-Fanzines, weil deren Leser lieber konsumieren als sich selbst
künstlerisch zu betätigen. Die Herausgeberin erläutert mir übrigens in einem
Begleitbrief die Manga-Genres: "Shojo" (da gehört eigentlich noch ein Dach
aufs "o") sind Mädchen-Mangas, in denen es schwerpunktmäßig um die Liebe
geht. "Shonen" sind für Jungs gedacht und bieten Action und Science Fiction.
"Hentai" heißen die Adult-Mangas. Dazu schreibt sie: "Mangas für ältere
Herren, also eine Art Pornohefte." - Hochinteressant. "Shonen-ai"
schließlich thematisieren "Beziehungen zwischen zwei Männern", und darauf
hat sich auch "Natsu-Yasumi" spezialisiert. "Dieses Genre ist ganz normal in
Japan", erläutert dazu die Herausgeberin, "und in Deutschland wird es auch
immer populärer und ist nicht als pervers anzusehen." Zu Befehl. Vielleicht
kann sie mal jemand auf Ralf König hinweisen... aa
Paranoid # 4. 48 Seiten, s/w mit Farbcover, 27,5 mal 19 Zentimeter.
Christopher Tauber, Ulmenstraße 20, 63571 Gelnhausen oder Steffi Dietz,
Vorbergstraße 1, 10823 Berlin
Neulich fühlte ich mich in die berühmte Szene in "Rebel without a cause"
versetzt, in der sich James Dean einen Rat von seinem Vater erhofft und der
ihm sagt: "Warte einfach zehn Jahre, dann sieht die Welt schon ganz anders
aus." Kurioserweise befand ich mich in der Rolle des Vaters. Ich hatte mich
mit Christopher Tauber über seinen Stand im Comic-Zentrum der Frankfurter
Buchmesse unterhalten, und er schrieb mir etwas später: "Sicher würde ich in
zwanzig Jahren immer noch Comics machen, sicher auch für nur 50 oder 100
Leute. Aber warum soll ich mich damit gleich zu Beginn zufrieden geben? Wo
liegt da der Sinn und der Idealismus? Außerdem: 150 Stück... Andreas!!! Das
ist dreimal soviel, wie wir verkaufen. Also, mal im Ernst, bei allem
Idealismus der Welt, würdest du da nicht auch alles versuchen, um ein paar
mehr Hefte loszuwerden?" Christopher Tauber will hoch hinaus, und er
versucht alles. Nein, nicht alles. In der vierten Ausgabe seines Fanzines
sind noch mehr seltsame Beziehungsgeschichten in Comic- und Textform
enthalten, dazu ein witziges Interview mit dem Entertainer Götz Alsmann und
eine verhinderte Plattenecke. Also fürs breite Publikum ist das alles
nichts, da nützt auch ein Einsatz auf der Buchmesse nichts. Aber einen
prominenten Platz in der Fanzine-Szene haben die "Paranoid"-Macher mit ihrem
konsequenten Heft durchaus verdient. aa
The SAF Reporter (Oktober 2000). 16 Seiten, farbig, DIN A 4. SAF Strip Art
Features, Krpanova 1, 3000 Celje, Slovenia. www.safcomics.com
Jo hat dieses Magazin schon mal vorgestellt. Ich möchte es noch einmal tun,
weil das Projekt der "Stripburger"-Macher recht bemerkenswert ist. Für die
Informationen über interessante Neuerscheinungen würde eigentlich ein
vierseitiges Faltblatt genügen. SAF begnügen sich mit einer relativ kleinen
Auswahl von Neuerscheinungen. Die restlichen Seiten nutzen die Slowenen, um
jeweils eine Seite, in einem Fall zwei, aus den besprochenen Bänden als
Leseprobe zu drucken. Und damit machen sie wirklich so richtig Appetit auf
die vorgestellten Comics. aa
Sprühende Phantasie # 19 (Juli 2000). 52 Seiten, s/w mit Farbcover, DIN A 4,
6 Mark. Sprühende Phantasie, Goebenstraße 37, 32423 Minden
Vier Seiten Leserbriefe! Mit Jos Projekt geht's ja offenbar doch bergauf.
Etwas frustrierend - am meisten wohl für Jo selbst - war früher, daß es kaum
Reaktionen auf SP gab. Es schien, als wüßte niemand so recht die besonderen
Qualitäten dieses Magazins zu würdigen. Das war mir deshalb unerklärlich,
weil Jo es immerhin Ausgabe für Ausgabe schaffte, einige der besten
Amateurzeichner der Szene, oft noch wenig bekannt, im Heft zu versammeln. Jo
hatte immer schon einen Blick für solche Leute. Wenn ein Heft in der Szene
verwurzelt war, dann war das also SP. Jetzt merkt man's endlich auch an den
Leserbriefreaktionen. Auch in der neuen Ausgabe sind einige der besten Leute
vertreten, die zur Zeit aktiv sind. Aber es sind zunehmend diejenigen, die
auch in PLOP schon mal vorkommen oder die ich vielleicht in PLOP gern hätte,
zum Beispiel Niels Kolditz, Eckart Breitschuh, Stefan Dinter, Levin Kurio,
Oliver Ferreira oder Horst Jäger. Mit anderen Worten: SP wird populärer. Die
Handschrift des Herausgebers bleibt - im wahrsten Sinne des Wortes - jedoch
unverwechselbar (nach wie vor werden alle Texte handgelettert), und Jos
Auswahl ist nach wie vor dem Heft anzumerken. Interviewt hat Jo im neuen
Heft den Münchner Comiczeichner Frank Schmolke. Es ist erstmals eine
Mischung aus Brief- und Telefoninterview und wirkt damit erstmals wie ein
richtiges Gespräch. Schön, daß sich auch bei einem Magazin wie diesem, das
schon lange einen sehr hohen Qualitätsstandard hatte, noch einige Dinge
verbessern lassen. Bleibt zu hoffen, daß sich das auch in den Verkaufszahlen
niederschlägt. aa
Sunburn # 14 (Sommer 2000). 36 Seiten, s/w, DIN A 4 (angelsächsisches
Format), 3 Dollar. Karl Thomsen, P.O. Box 2061, Winnipeg, MB R3C 3R4,
Kanada. www.escape.ca/~mosfog/
"Underground Comic Chaos" heißt dieses Magazin im Untertitel. Die
beteiligten Zeichner orientieren sich tatsächlich überwiegend an
amerikanischen Underground-Traditionen. Herausgeber Karl Thomsen hat
allerdings ein sehr geordnetes Chaos angerichtet. 15 Zeichner hat er in
dieser Ausgabe hübsch ordentlich versammelt, die meisten aus Kanada, aber
auch einige aus USA, Australien, Finnland und sogar Slowenien. Viele von
ihnen begnügen sich mit Onepagern, so daß man ein breites Spektrum von
Zeichenstilen und Ausdrucksformen kennenlernen kann. Planmäßig müßte
inzwischen schon die Herbstausgabe erschienen sein. Mehr über das
empfehlenswerte Projekt "Sunburn" vielleicht im nächsten PLOP. aa
Ten Eyes Archiv # 1 - 3 (Juni 2000). Je 28 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN
A 4, 7,50 Mark. Norbert Zlöbl, Bauerngasse 93, 90443 Nürnberg
Ein neues Magazin erblickte das Licht der Öffentlichkeit, und das Konzept
ist gut. Unter dem Titel "Ten Eyes Archiv" erscheinen Hefte, die jeweils
immer nur einem Nachwuchskünstler gewidmet sind. Weder von Fufu Frauenwahl
noch von Norbert Zlöbl oder André Breinbauer habe ich bisher irgendeine
Veröffentlichung im Gedächtnis (*), aber gut sind sie alle. Natürlich ist
die Qualität ihrer Zeichnungen eher mit Fanzines zu vergleichen als mit
Profipublikationen. In dieser Kategorie braucht vor allem Fufu Frauenwahl
den Vergleich mit anderen nicht zu scheuen. Sein holzschnittartig angelegter
psychologischer Comic "Sightseeing" ist leider als Fortsetzung angelegt. Als
Bonus gibt es noch einen Fünfseiter mit anderem Thema. Genauso ist es auch
bei Ausgabe # 2 namens "Phötus" von Norbert. Hier beschließen drei
ausgediente Vibratoren, unter dem Namen "The amazing Joysticks" Rockstars zu
werden. Als Bonus gibt es einen Zweiseiter. André Breinbauer ist mit "Horst
Kreiner" der Dritte im Bunde. Dieser parapsychologische Weltenbummler mit
dem guten Aussehen von Stephan Derrick und dem Know-how von John Sinclair
versucht, die Welt des Unerklärlichen zu beleuchten. Alle drei Hefte haben
wunderschön gemalte Cover, abgedrehte Stories und feine Zeichnungen, leider
auch eine Halbwertzeit von cirka fünf Minuten gemeinsam. Man sollte dem
Label aber auf alle Fälle eine Chance geben, denn gut sind die Zeichner
schon. Jo84
(*) Mein Gedächtnis gibt in diesem Fall etwas mehr her: siehe Rezension von
"Sendeschluß" in PLOP # 53, August 1998. aa
tremor comics # 12 (Oktober 2000) und 13 (Dezember 2000). Je 44 Seiten, s/w
mit Farbcover, Comicbookformat, 4,80 Mark. C. Schadow, Triftstraße 05, 06114
Halle/Saale, e-Mail: tremorcomic@yahoo.de
Scherz, Satire und Parodie haben in den letzten beiden Ausgaben des Magazins
aus Halle ein größeres Gewicht gewonnen. Es ist der Witz, der auch in den
meisten Kostenlos-Magazinen vorherrscht. Nur, daß von Ausgabe zu Ausgabe die
Beteiligung von Szenaristen für bessere Stories versprochen wird, entwickelt
sich zum running gag besonderer Art. Weil die meisten vertretenen Zeichner -
darunter jetzt auch der auch aus PLOP bekannte Bernd Teuber -
überdurchschnittlich gut sind, sollte man "tremor comics" weiter im Auge
behalten. aa
Wacka Wacka # 6. 52 Seiten, s/w, DIN A 5, 3 Mark. Wacka Wacka, Postfach
101419, 04014 Leipzig. www.wackawacka.de
Nachdem er seine Diplomarbeit abgeschlossen hat, konnte sich Guido
Kawczynski wieder einer neuen Ausgabe zuwenden. Sie ist ziemlich textlastig
geworden, zumal sieben Seiten einer Kurzfassung eben dieser Diplomarbeit
gewidmet sind. Guido hatte das Glück, über Comicfanzines in Deutschland zu
schreiben, aber das Thema war doch ein wenig bizarr: Er hatte zu
untersuchen, ob sich Fanzines zum Einstellen in öffentliche Bibliotheken
eignen. Immerhin hat er zunächst mal die Szene ausführlich aufgerollt, und
das ist es auch, was wir in der Kurzfassung lesen. Und nachdem die
Comic-Fanzines in den inzwischen zwei Anthologien wissenschaftlicher
Betrachtungen namens "Fanzines" von Jens Neumann jeweils nur am Rande
vorkamen, ist es wohltuend, sie hier einmal ganz im Mittelpunkt des
Interesses zu sehen. Beinahe möchte ich das Heft medienkritisch nennen.
Ziemlich schwärmerisch ist der Artikel von Robert Glaser über Robert
Zemeckis Kinoserie "Back to the Future" geraten. Und dann werden uns auch
noch Comicklassiker nahegebracht: "Stray Bullets", "Ghost World" und "Maus".
Die Comics, um das nicht zu verschweigen, stammen von Oliver Ferreira,
Watzek, Oliver Gfeller, Aaron Jordan und Anja & Joy - nicht zu vergessen
eine Episode "Walter Weltraum" vom Herausgeber himself. aa
Zebra # 15 (Juli 2000). 40 Seiten, s/w, DIN A 4, 4,80 Mark. Zebra, c/o Georg
K. Berres, Giselherstraße 19, 50739 Köln
Grüne Männchen? Dinosaurier in einem vergessenen Tal? Ratten in den Wänden?
Das anspruchsvolle Comicmagazin Zebra? Gibt's doch alles nicht! Doch da -
kurz vor dem Comic Salon lag eine Zebra-Ausgabe in meinem Briefkasten. Ich
hatte das Magazin schon ins Reich der Fabel verbannt. Doch die beiden Akte
X-Agenten, die mich auf dem Cover so unverwandt anblicken, haben schließlich
doch die große Kölner Verschwörung aufgedeckt. Innen gibt's auch noch die
schönste Akte X-Parodie in beinahe MAD-Tradition. Haggi ist mit einer
blutgefrierenden Autopanne-im-dunklen-Wald-Story dabei. Und Volker Reiche
schließt das Heft mit der mysteriösen Story "Snirks Café" ab, die schon ein
wenig vorausweist in die Ewigkeit. Das übrige sind Zebra-Eigenproduktionen,
wie man sie von früher her noch gewohnt ist. Zebra ist nach wie vor das wohl
eleganteste Comic-Fanzine im deutschsprachigen Raum. Zu schade, daß das Heft
so selten erscheint. aa
Kurt Busiek: Astro City # 1 - 7, Bookshelfformat. Verlag Thomas Tilsner
An "Astro City" bin ich (zu) lange vorbeigelaufen. Die düsteren Zeichnungen,
unbekannten Helden und scheinbare Aktionsarmut der Stories hat mich nicht
sofort überzeugen können. Dabei ist die Sache ziemlich genial. Erzählt
werden Geschichten aus einer Stadt, die seit mehr als 60 Jahren Superhelden
und Superschurken hat. Da das "Homage"-Label ein DC-Ableger ist, wundert es
wenig, daß man in "Samaritan" Superman erkennt, in "Winged Liberty" Wonder
Woman, in "Confessor" eine Art religiösen Batman (komplett mit Roben im
Meßdienergewand), aber in "Crackerjack" auch eine Art Spiderman und in der
"Furst Family" eine erweiterte Version der Fantastic Four. Anstatt aber nur
zu imitieren oder uns die Konstruktion eines neuen Superheldenuniversums
vorzu-führen, gelingt es Busiek, alltägliche Geschichten in nicht
alltäglicher Umgebung zu erzählen: Ein Mädchen aus einem Viertel, in dem man
nur Vampire und okkulte Helden gewohnt ist, zieht in die Großstadt und muß
sich behaupten. Ein Journalist beobachtet einen gewaltigen Superheldenkampf,
kann ihn aber nicht verifizieren und so nur einen kleinen Bruchteil davon
veröffentlichen. Ein Junge kommt in die Stadt, um als Super-Sidekick
Karriere zu machen. Samaritan und Winged Liberty versuchen, einen ruhigen
Abend zu verbringen. Eine normale Familie erlebt zum ersten Mal den Angriff
eines kosmischen Riesen auf ihr Viertel und erfährt vor allem ein gewaltiges
Zusammengehörigkeitsgefühl der Nachbarn. Ein gealterter Superschurke
versucht, einmal etwas Gutes zu tun. Der kleine Mann von nebenan ist
Korrespondent einer Alien-Invasion. Schwer beschreiblich und sehr
amerikanisch schafft Busiek hier echte Short Stories, die ein wenig an
Eisner erinnern, den Superheldenkosmos aber nicht vernachlässigen. Sie geben
dem Leser das "Groundfloor-Feeling", das alle aus der Zeit kennen, als ihnen
noch nicht alle Zusammenhänge in den Geschichten klar waren und noch Neues
zu entdecken war. Empfehlenswert. Zum Einstieg empfohlen: Band 3. Jeder Band
enthält zwei US-Ausgaben. Herod
Frank Cho: University Freaks # 1, 9,80 Mark. Gringo Comics
Es gab früher intelligente amerikanische Zeitungscomics, die man gerne las.
Nein, ich rede nicht von "Garfield" und "Calvin & Hobbes", die ich
eigentlich schon für späte, infantilisierte Vertreter dieses Genres halte.
Es waren Serien wie "Peanuts", "B. C." ("Neander aus dem Tal") oder "Wizard
of Id" ("Magnus der Magier"), die einen immer wieder durch ihren
Einfallsreichtum verblüfften. Frank Chos Serie "University", die zunächst
in einer Campuszeitung veröffentlicht worden war, geht in eine vergleichbare
Richtung. In University Freaks gelangen drei verlorengegangene Versuchstiere
an eine Uni und schreiben sich auch problemlos ein. Was folgt, ist eine
breitgefächerte Satire der an US-Unis üblichen Party- und
Dating-Gewohnheiten, denn vor allem die Ente schwärmt ein menschliches
Mädchen an. Noch etwas arg auf Saufwitze beschränkt, aber wir wissen ja, wie
weit Werner damit gekommen ist. Herod
Frank Cho: Liberty Meadows # 1, 6,90 Mark. Salleck Publications
Dies ist der professionelle Nachfolger der Uniserie! Diesmal geht's um eine
Tierklinik, in der sich reichlich bescheuerte Tierchen um die hübsche Brandy
und den schüchternen Frank scharen. Noch witziger und intelligenter als
University Freaks. Etwas peinlich ist nur das Figurenrecycling, das Cho hier
betreibt. Aus der sprechenden Bohne ist ein Frosch geworden, und der
verliebte Enterich erscheint nun menschlich, aber sonst kennen wir fast alle
Hauptdarsteller in der gleichen Charakterisierung schon aus "University
Freaks". Herod
Kazushi Hagiwara: Bastard!! Der Gott der Zerstörung # 2. Der Gegenangriff.
Carlsen
Das ist so richtiger netter Manga-Blödsinn, wie ihn sich der kontinentale
Leser wünscht, dem der behäbige französische und übermäßig verworrene
US-Su-perhelden-Comic langweilig geworden sind. Eine bodenlos unwichtige
Fantasy-Serie um Magier und hübsche Prinzessinnen, deren Schurke "Dark
Schneider" heißt (kennt man Helge Schneider jetzt schon in Japan, oder hat
mal wieder einer im deutschen Branchenbuch geblättert?). Blühender, aber
nett gezeichneter, leicht verdaulicher, weitgehend sympathischer Unfug.
Herod
Yukito Kishiro: Battle Angel Alita # 1. Cirka 220 Seiten, s/w mit Farbcover,
9,95 Mark. Carlsen
Nachdem den großformatigen Mangas wie "Battle Angel Alita" oder "Sarah"
aufgrund des hohen preises der ganz große Erflog versagt blieb, versucht
sich Carlsen jetzt an einem Nachdruck des selben Stoffs im beliebten "Dragon
Ball"-Format mit umgekehrter Leserichtung. Der Manga selbst gehört weltweit
zu den erfolgreichsten seiner Art. Mechaniker Ido findet auf dem
Schrottplatz den Kopf eines weiblichen Cyborgs, dessen Gehirn noch intakt
ist. Er baut ihr einen schönen mechanischen Körper und nennt sie Alita.
Während sie als Kopfgeldjägerin ihr Geld verdient, versucht sie verbissen,
etwas über ihre Vergangenheit als Mensch zu erfahren. Jo84
Isabel Kreitz / Stefan Dinter: Halloweens (16sei-tiges Comic-Insert der
Springer-Jugendzeitschrift "Yam!" # 40, September 2000)
Beim Blättern im Supermarkt fällt mir auf, daß Yam! auf dem Titel eine
Comicbeilage verspricht. "Na, das wird wieder n schöner Quark sein", denke
ich und entschließe mich, zum Lästern einen Blick darauf zu werfen. "Was'n
das? Irgendso'n DC-Lizenzzeug?" So sieht's aus, professionell gezeichnete
und colorierte, aber auch etwas oberflächliche Funnies a la Munsters oder
"Addams Family". Erst das Auftauchen der Teletubbies in dieser Gruselparodie
bewegt mich zum Kauf des Heftes. Umso erstaunter bin ich, als ich erkenne,
daß Isabel Kreitz und Stefan Dinter für diesen Comic verantwortlich sind.
Das ist, nachdem ich mit der Currywurst und Dr. Mabuse überhaupt nichts
anfangen konnte (vom Zeichenstil her) bisher das sympathischste
Comicerzeugnis von Isabel, das ich zu Gesicht bekomme. Weiter so! Nebenbei:
Die Teletubbies haben nicht alle die gleichen Antennen (sind ja alle
Tinky-Winkys, bis auf die Pseudo-Laalaa, die ein Fantasiegäbelchen trägt),
und sie haben alle große Ohren. Aber ich fand's prima, daß sie die Tubbies
gegen den Werwolf gewinnen lassen! Tubbies triumphant!!! Wann treten die
Tubbies in die Föderation ein? Lieutenant Tinky, beam us up! Herod
Jim Krueger (Story) und Dougie Baithwaite (Pencils): Universe X # 0,
Comicbookformat. Marvel US
Das ist die Nachfolgeserie von "Erde X", die das im Vorgänger eher
spielerisch geschaffene Zukunftsuniversum genauer ausleuchtet. Die
Zeichnungen sind weniger holzschnittartig und erinnern eher an die 70er oder
80er Jahre. Da hier alle Handlungsfäden (inklusive der des wiedergeborenen
Mar-Vell) weitergeführt werden, wird es noch eine Weile dauern, bis man
sagen kann, ob sich die Sache lohnt. Herod
John-Paul Leon und Jim Krueger: Erde X. Marvel Millennium # 0 - 7.
Bookshelfformat. Panini
Dies ist die Serie, auf die alle Altfans gewartet haben! Als wir anfingen,
Superheldencomics zu lesen, waren die Helden selbstverständlich älter als
wir. Als wir heranwuchsen, näherten wir uns immer mehr an, waren vielleicht
früher mit der Uni fertig als Peter Parker, früher verheiratet als Superman
oder ähnliches. Plötzlich schienen wir sie altersmäßig zu überholen - bis
jetzt! Wer einen 40- bis 50jährigen dicken, desillusionierten Peter Parker
mit Tochter erleben möchte, Ben Grimm als Familienvater mit zwei Söhnen (den
Brüdern Grimm, klare Sache), Captain America als haarlosen Opi und Tony
Stark als ergrauten Genius, der seine Roboterschöpfung nur noch aus einer
Schaltzentrale lenkt, der ist hier richtig. Obwohl das ganze durchaus Humor
hat, ist es keine Parodie, sondern ein spannendes Epos, in dem die ganze
Erde mutiert ist und die Superhelden auf den Plan gerufen sind, um den
jugendlichen Nachfolger von Red Skull von der Weltherrschaft abzuhalten.
Eine zeitgemäße, spannende Story, die endlich mal wieder den gesamten Mythos
Marvel nutzt. Ach ja: Norman Osborne (der Grüne Kobold) ist amerikanischer
Präsident. Nuff said! Herod
Winsor McCay: Little Nemo 1905 - 1914. 432 Seiten, farbig, Überformat,
Hardcover, 49 Mark. Evergreen / Benedikt Taschen Verlag
Der Taschen Verlag, bekannt durch ein hervorragendes
Preis-Leistungs-Verhältnis im Bereich der Kunstbücher, hatte sich nach einer
Pleite mit französischen Comicalben Anfang der 80er Jahre auf seine Stärfke
besonnen und zugunsten von Büchern die Finger von Comics gelassen. Manche
Comczeichner waren jedoch auch in der Kunstszene berühmt wie zum Beispiel um
die Jahrhundertwende Lionel Feininger. Nach jahrelanger Ignoranz dieser
hervorragenden Arbeiten seitens der Kunstliebhaber erfreuen sich auch in
letzter Zeit diese Arbeiten außerhalb des Kunstmarkts bei Vielen wachsender
Beliebtheit. Ähnlich war es mit den Arbeiten seiner Mitstreiter, allen voran
Winsor Mc Cay. Von 1905 bis 1926 erschienen mit Unterbrechungen seine Comics
von "Little Nemo" in vielen verschiedenen Zeitungen in der Sonntagsbeilage.
Ähnlich wie Feininger waren die detailliert ausgearbeiteten, romantischen
und skurrilen Abenteuer von McCay seiner zeit weit voraus und nicht
sonderlich beliebt. Es dauerte Jahrzehnte, bis die Abenteuer Nemos im
Traumland als verkannte Klassiker gewürdigt wurden. Nach etlichen Verlagen,
unter anderem Carlsen, wagt sich Taschen endlich an eine Gesamtausgabe in
zwei Bänden. Ergänzt um ein kurzes Vorwort enthält es alle Nemo-Seiten, die
McCay von 1905 bis 1914 für verschiedene Zeitungen zu Papier brachte. Druck,
Aufmachung und Preis-Leistungs-Verhältnis sind allererste Sahne. Es lohnt
sich, nach dem Buch Ausschau zu halten. Jo84
Duke Mighten: Objects of Desire - The Art of Duke Mighten. 64 Seiten, s/w
mit Farbcover, Comicbookformat, Prestige, 24,80 Mark. Extrem Erfolgreich
Enterprises
Duke Mighten kennt in Deutschland keine Sau, da fast nichts von ihm auf
deutsch vorliegt. Für Satanika 1 - 3 zeichnete er verantwortlich, und auf
amerikanisch dürfte höchstens sein Werk "Batman - Book of Shadows" größere
Bekanntheit erlangt haben. Dabei ist der Mann ein Genie, finde ich und
finden auch EEE. Ein richtiger Comic von ihm wäre mir lieber gewesen, aber
dieses Skizzenbuch (50 Prozent Bleistift, der Rest ausgetuscht) zeigt auch,
was er drauf hat und was nicht. So ist er zum Beispiel ein Künstler, der es
liebt, Anatomie und Kleidung geradezu zu designen. Sein Faible für
spinnenartig verzogene Körper kann sicher nicht jeder nachvollziehen. Aber
auch realistisch gezeichnete Körper und Gesichter (vor allem seine Frauen)
haben eine außergewöhnliche, ganz spezielle Wirkung, und er ist einer der
ästhetischsten Vorzeichner der Welt. Als Tuscher ist er leider etwas
oberflächlicher, bei Endprodukten sieht aber immer noch alles gut aus.
Ergänzt wird das Buch durch ein Vorwort des britischen 2000 A.D.-Autors Pat
Mills und eine Eigenbiografie. Dabei erfährt man, daß der gedrungene
Schwarze schon kurz davor war, alle Comicarbeiten einzustellen. Das wäre ein
Riesenverlust. "Objects of Desire" ist eine hervorragende Neuerscheinung,
nicht perfekt, aber ehrlich in seiner Darstellung von Mightens Arbeit. Ein
Muß für jeden, der sich mit der Herstellung von Comics und dem Einfluß
düsterer Visionen beschäftigt. Der Preis ist nicht günstig, aber
gerechtfertigt. Heißer Tip! Jo84
Uli Oesterle: Fraß. 52 Seiten, farbig, 25 mal 19 Zentimeter, 29,80 Mark.
Edition 52
Uli Oesterle dürfte so langsam kein Unbekannter mehr sein. Der Veteran des
Münchner Comicmagazins "Comicstrich" hat sich aus seinem Umfeld gelöst und
hat mittlerweile in vielen verschiedenen Produktionen und Verlagen die Hände
im Spiel. "Fraß" ist nach vielen gelungenen und teilweise auch prämierten
Comics sein erstes Farbalbum, und es ist absolut super gelungen. Das Album,
das Ulis verstorbenem Freund Alexander Jessen gewidmet ist, erzählt die
Geschichte des Feinschmeckers Serafin Brute II. Der schwerreiche Gourmet
kann es sich leisten, seinem Freßtrieb auch zu horrenden Preisen zu frönen.
Nichts ist ihm gut und teuer genug. Doch plötzlich verliert Brute seinen
Geschmackssinn und damit jeden Lebenswillen. Was könnte ihm beides
zurückbringen? Oesterles Darstellung des verzweifelten Gourmets ist einfach
phänomenal. Das Album ist zudem auch noch sehr gut coloriert. Man hat es
zwar recht schnell durchgelesen, sollte den Preis aber trotzdem investieren,
weil es rundum gelungen ist. Jo84
Minami Ozaki: Zetsuai: 1989 # 1. 192 Seiten, s/w mit Farbcover, 12 Mark.
Carlsen
Wieder ein neuer Manga bei Carlsen, diesmal von einer Frau (Jahrgang 1968).
Man mag kaum glauben, daß "Zetsuai" in Leserumfragen der Animania auf Platz
eins der Wunschliste von Neuerscheinungen war, denn die wirr in Comicform
übertragene Geschichte ist zudem im Vergleich zu anderen Mangas mehr als
dürftig gezeichnet. Auf Hintergründe hat Ozaki schon mal gar keinen Bock,
und die anatomisch durchweg viel zu länglich geratenen Akteure erinnern
zeichnerisch mehr an irgendwelche Modeskizzen, ohne deren Leichtigkeit
einfangen zu können. Textlich finde ich den Band ebenfalls mehr als
uninteressant. Der extrovertierte Popsänger Kojinanjo verliebt sich in den
gleichaltrigen Fußballer Takuto Izumi, der ihn wegen seiner femininen
Gesichtszüge an einen Schwarm seiner Jugend erinnert. Als Koji erfährt, daß
Takuto ein Mann ist, geraten seine Gefühle zunächst völlig durcheinander.
Erst nach und nach gelingt es ihm, sich auf seine Liebe einzulassen. Leider
ist diese gleichgeschlechtliche Liebe nicht einfühlsam, sondern einfach nur
doof geschildert. Ein weiterer Grund für meine Abneigung dem Werk gegenüber
ist die Darstellung der Autorin: Ein Luxusweibchen mit Hang zum Pathetischen
("Sie hegt außerdem eine Vorliebe für ... die Farbe von getrocknetem Blut")
und verachtenswerten Idealen (Diamanten, Designerkleidung und die Marken
Rolex, Dunhill, Armani und Chanel). Aber der Erfolg gibt ihr zumindest in
ihrer Heimat recht - unverständlich. Jo84
Claudio Piersanti / Lorenzo Mattotti: Stigmata. Ca. 190 Seiten, s/w mit
Zweifarbcover, 16,5 mal 23 Zentimeter, 29,80 Mark. Edition Kunst der Comics
An Lorenzo Mattottis Comics scheiden sich die Geister. Dies gilt für seine
Schwarz-weiß-Werke noch mehr als für Farbarbeiten, denen unvoreingenommenes
Publikum wenigstens eine faszinierende Farbigkeit attestiert, wenn es auch
diese Comics nie kauft oder liest. "Der Mann am Fenster", Mattottis
Schwarz-weiß-Debüt, war nun auch ein wirklich kryptisches Werk, das wohl
kaum einer so wirklich verstanden hat. Bei der Story von Claudio Piersanti
liegt der Fall zum Glück anders. Zwar gibt es vereinzelt wieder Seiten, auf
denen sich die Künstler im Symbolischen verlieren, der Großteil des Buches
jedoch erzählt recht geradlinig die Geschichte eines Mannes, der mit
Stigmata erwacht und von dem sich deshalb der Rest der Menschheit abwendet.
Zuflucht und sogar eine Gefährtin findet er bei einem Wanderzirkus, bis sich
die Geschehnisse zuspitzen und eskalieren. Zeichnerisch ist das Werk harter
Tobak. Verzerrte Anatomien, wilde Schraffuren und kreisförmige Krakeleien
tauchen auf jeder Seite auf. Die aggressiv und expressiv gestalteten Seiten
transportieren aber gut den über lange Strecken ausweglosen Schicksalsweg
des innerlich zerrissenen Hauptdarstellers. Mattotti und Piersanti befinden
sich mit diesem faszinierenden Comic in der genauen Mitte zwischen Anspruch
und Verständlichkeit, ohne in Möchtegern-Kunst abzudriften. Ein Tip für
alle, die's nicht zu flach mögen. Jo84
Miguelanxo Prado: Fantasmagorie. 94 Seiten, farbig, 23 mal 23 Zentimeter.
Mosquito
Um Miguelanxo Prado ist es in Deutschland ruhig ge-worden. Im Ausland
erfreut sich der Comiczeichner und Illustrator immer noch wachsender
Beliebtheit, wie der vorliegende Prachtband mit Einzelillustratio-nen für
verschiedene Magazine, Postkarten und so weiter zeigt. Die französische
Produktion, untertitelt in Französisch und Spanisch, beweist, was für ein
außergewöhnlicher und vielseitiger Illustrator Prado ist. Farbverständnis
und Gebrauch verschiedenster Materialien sind einfach einzigartig. Ein
klasse Bildband, bei uns zu beziehen über den Verlag Salleck Publications,
Carlsberger Straße 19, 67319 Wattenheim. Jo84
Erich Rauschenbach: Vater werden ist nicht schwer, Tochter sein dagegen
sehr. 48 Seiten, farbig, Hardcoveralbum, 24,80 Mark. Eichborn
Erich Rauschenbach, geboren 1944, gehört zu den erfolgreichsten Cartoonisten
Deutschlands. Seit 1973 ist er freiberuflicher Zeichner für verschiedene
Zeitungen, Zeitschriften und Sachbücher, vor allem Autor zahlreicher eigener
Cartoonbände. In seinem neuen Band thematisiert er die Beziehung zwischen
alleinerziehendem Vater und seiner Tochter. Das Ergebnis fällt so
handwerklich routiniert wie schon seit mehr als 25 Jahren aus. Die Form der
Onepager wird nicht angegriffen, drei bis vier Panels pro Seite zeichnet
Rauschenbach, die er schnell mit Wasserfarben oder Aquarell coloriert, dazu
ein Humor, der bloß nirgends anecken darf. Ein bißchen süß oder seicht darf'
s dazu schon sein. Seit dutzenden von Alben macht Rauschenbach mit Erfolg
immer wieder dasselbe. Ich find's mittlerweile langsam etwas nichtssagend.
Jo84
Joachim Schulz, Mathias R. Schmidt (Text), Tim Schuster (Zeichnungen): Hatto
& Co # 1. Das Geheimnis von Eihloha. 48 Seiten, farbig, Albumformat. Verlag
Parzeller, Fulda, Telefon 0661/280374, Fax 0661/280285.
"Abenteuer im Mittelalter" heißt der Untertitel dieses Comics um den Mönch
Hatto und seine Weggefährten im Jahre 742. Vorbild für diesen Comic war
natürlich, ersichtlich an Aufbau und Textzitaten, Asterix, dessen Flair man
in ein späteres Zeitalter versetzen wollte. So ganz hat das nicht geklappt,
dafür sind die Mängel doch noch zu groß, aber die grobe Richtung stimmt
schon mal. Die Hauptpersonen sind auf der Einführungsseite recht gut
vorgestellt. Es sind auch alles recht lustige Charaktere. Leider sehen sie
sich ein bißchen ähnlich, was im Text manchmal zu Verwechslungen führt. Der
Text vermittelt ein gutes geschichtliches Wissen, auch der Anhang läßt die
Vermutung zu, daß die Texter mehr Wert auf historische Recherche und
Genauigkeit denn auf flotte Unterhaltung legen. Denn leider ist die
Geschichte in diesem ersten Band ziemlich langweilig. Man spürt auch, daß
die Macher, auch der Zeichner, noch nie vorher einen Comic gemacht haben.
sie beherrschen den Storyaufbau unter Berücksichtigung der Bildersprache
leider nicht besonders. Hintergründe fehlen fast gänzlich, und die
Vorzeichnungen sind nur mäßig getuscht. Schade, denn ein Comic über Mönche
in dieser Zeit der Missionierung hätte sicher interessanter und vor allem
spannender gestaltet werden können. Jo84
Jerry Scott/ Jim Borgman: Zits. 128 Seiten s/w, Softcover, 21,5 x 21,5 cm,
DM 19,80. Achterbahn
20 Mark bezahlt und nichts bereut! So könnte ich's kurz formulieren. Zits
sind Comicstrips, meist drei pro Seite, mal 128 Seiten ist 'ne ganze Menge.
Die Hauptfigur der Serie ist Jeremy. Er ist fünfzehn, lebt in den USA, bei
seinen Eltern. Sein Vater ist Zahntechniker und somit der Schrecken der
Zahnspangen tragenden Teenies, seine Mutter ist Kinderpsychologin, sein
Bruder ist ein Streber an der Uni. Das ist hart. Die Strips geben Einblick
in das Leben von Jeremy und seines Freundes Roberto. 15 sein heißt, sich
gegen die Alten abgrenzen durch möglichst schlabberige Klamotten, eigene
Sprache und Musik. Das heißt, nach Mädels sabbern, ohne den Mut zu haben,
sie anzusprechen. (Man behilft sich mit Psycho-Liebescassetten, um die
Angebetete zu erobern). Das heißt vor allem, Streß in der Schule und zu
Hause, weil sich die Teeny- und die Erwachsenenwelt eben manchmal
überschneiden. Angenehm lockerer Strich, gut lesbares Computerlettering und
vor allem die schöne Ausarbeitung der Charaktere gefallen mir. So muß nicht
jeder Strip in einen Gag münden, weil einfach schon die Art, wie Jeremy
bestimmte Dinge tut, sagt, sich bewegt, sauwitzig ist. Erst recht die tief
philosophischen Gespräche mit Roberto und der verzweifelte Versuch seiner
Eltern, ihn zu verstehen. Und reichlich krause Ideen. Cool auch sein Daddy.
Als Jeremy sich ein Tattoo zulegen will: "Dann lasse ich mich piercen!"
Ungut fand ich die Eindeutschung durch den ungenannten Übersetzter. Da wird
irgendwo Helmut Kohl in einen Satz eingebaut, Roberto gibt keine Nachhilfe
in Spanisch, sondern in Deutsch, und Jeremy bettelt um ein Auto zum 18.
Geburtstag, wiewohl er ja erst 15 ist. Das wirkt um so peinlicher, als
ständig amerikanische Lebensart und Eigenarten daran erinnern, daß die Serie
in Amerika spielt. Abgesehen davon eine tolle Serie. Ich kaufe ja selten
Comics, aber diesen sollte man echt haben, wenn man Strips mag! rs
Jürgen Seebeck: Bloody Circus. 100 Seiten, farbig, 18 mal 13 Zentimeter, 12
Mark. Carlsen
Jürgen Seebeck und seine Freundin Junko Iwamoto sind in Deutschland schon
lange als Übersetzer von Mangas und Japan-Spezialisten bekannt. Zu ihren
erfolgreichsten Übersetzungen gehören "Dragon Ball", "Akira", "Battle Angel
Alita" und "Astro Boy". Tief von dem Phänomen Manga beeindruckt, schuf der
Autodidakt Seebeck ab 1992 eigene Comics, die in Japan im Magazin "Morning"
des Verlagsriesen Kodansha erschienen. Bis auf eine Ausnahme hat er in
Deutschland noch nichts veröffentlicht. Sein Debutwerk enthält drei
Kurzgeschichten, in denen er Figuren aus der japanischen und europäischen
Kulturgeschichte in neue Kontexte setzt und mit der Mythologie anderer
Länder verknüpft. Zudem spielen seine Geschichten in der Zukunft. Aus
Melvilles Klassiker "Moby Dick" wird so zum Beispiel "Moha-Dick, der rote
Wal", den der weibliche Cyborg Ahab besiegen will. In der zweiten Geschichte
muß ein frisch vermähltes Paar gegeneinander kämpfen. Sie als Torera, er als
Stier verkleidet. Die Ehre gebietet es ihnen, sich trotz ihrer Liebe
gegenseitig abzuschlachten. Japaner empfinden dieses künstlich erzeugte
Drama möglicherweise als tragisch oder romantisch. Ich kann diesem
Schwachsinnstext einfach nichts abgewinnen. Und die dritte Story ist für
Europäer völlig unverständlich. Ein Riesendämon tötet Wächter aus Holz, um
seine Frau aus Gild zurückzuholen. Hier wäre ein bißchen mehr
Hintergrundinformation über die Originalsage vonnöten gewesen. Auf den
ersten Blick macht "Bloody Circus" einen sehr guten Eindruck. Das Papier ist
fest, die Farben sind einfühlsam. Bei näherem Hinsehen bemerkt der Leser
aber, daß Seebeck zum Beispiel keine Menschen zeichnen kann. Qualitativ
bewegt er sich hier eher auf Fanzine-Niveau. Die merkwürdigen Geschichten
tun dabei ihriges. "Bloody Circus" # 2 ist bereits angekündigt. Es bleibt
abzuwarten, wie sich die Reihe entwickelt. Jo84
Sente und Juillard: Blake und Mortimer. Die Voronov-Intrige
Lucky Luke. Der Prophet
Don Rosa: Onkel Dagobert # 11
Früher gab es manchmal in MAD oder ähnlichen Hef-ten Imitationen
beziehungsweise Parodien von Co-micserien, manchmal gab es auch schlechte
Merchandisingprodukte, bei denen jemand die Figuren übernommen hatte. Es war
immer seltsam, die Figu-ren von anderen zeichnern gestaltet zu sehen.
Kinder, die das Konzept der Parodie noch nicht kennen, empfinden dies oft
als "nachgemacht" und "doof". Momentan erleben wir in vielen Comicserien
eine Wachablösung unter Zeichnern und Autoren, was in mir manchmal dieses
Gefühl wachruft. So wirkt das neue Blake und Mortimer recht nachgeahmt, auch
Lucky Luke erscheint seit langem wie ein seltsamer Wiedergänger seiner
selbst, obwohl der neueste Band ("Der Prophet") recht witzig ist. Don Rosas
inhaltlich hochgelobt Donald Duck/Uncle Scrooge-Serien haben das gleiche
Problem. Obwohl ihm durch die Dagobert-Biografie das Verdienst zukommt, alle
Zweifler widerlegt zu haben, die in den Donald-Geschichten keine Entwicklung
der Charaktere erkennen konnten. Witzig ist Rosas Schraffurtechnik, die das
ganze immer wie eine Underground-Parodie wirken läßt. Manchmal wagt er sich
auch an Perspektiven der Entenköpfe, die kein früherer Disneyzeichner
gezeigt hätte. Oft wirkt aber speziell Donald wie eine leicht verdrehte
Spielzeugfigur. Barks bleibt meines Erachtens unangefochten. (Gibt es jetzt
an den Zeitschriftenständen im Himmel neue Donald-Hefte? God must have
needed ducks in heaven.) Herod
Jacques Tardi / Daniel Pennac: Abwärts. 76 Seiten, farbig, Überformat,
Hardcover, 34,80 Mark. Edition Moderne
Tardi, in seiner Heimat ein Superstar, konnte sich in Deutschland leider nie
so richtig durchsetzen. Zwar ist der größte Teil seiner Bücher auf deutsch
erschienen, die Verkaufszahlen jedoch bleiben erbärmlich. Daran wird wohl
auch "Abwärts" nichts ändern, ein Krimi, der im Zoo von Paris spielt. Daniel
Pennac ist ein Roman-autor, der auf deutsch bei Kiepenheuer & Witsch
veröffentlichte. Tardi arbeitet zum ersten Mal nach seinen Texten, und die
radikale Boshaftigkeit, die Tardi selbst als Texter zu eigen ist, tritt hier
in den Hintergrund. Es handelt sich um einen handwerklich gut gemachten
Krimi, den ich aber nicht als überdurchschnittlich bezeichnen würde: In
einem Zookäfig stellt sich ein Arbeitsloser selbst aus, was eine Menge
Publicity bringt. Kurze Zeit später findet man ihn erhängt. Die Obduktion
ergibt, daß es Mord war. Aber wer hätte Interesse, einen armen Arbeitslosen
umzubringen? Oder liegt der Fall etwa ganz anders? Ungewöhnlich bei diesem
Band ist vor allem, daß Tardi ihn in Farbe vorlegt. Es bleibt
Geschmackssache, dies als positiv oder negativ zu bewerten. Jo84
Ozamu Tezuka: Astro Boy # 2 - 8. Carlsen
Spät kommt er, doch er kommt: eine repräsentative Auswahl der "Tetsuwan
Atomu"/"Mighty Atom"/"Astro le Petit Robot"-Serie. Tezukas Urahn aller
japanischen Roboterhelden. Als Einstieg hat man sich glücklicherweise nicht
an die Chronologie (und auch nicht an die französische Buchausgabe)
gehalten, da die Stories der 50er doch relativ öde gezeichnet sind. Daß die
Figuren kein Herz haben, wie Andreas Alt formuliert hat, kann ich nicht
unterstreichen, wohl aber, daß Astro Boy für unsere Erwartungen für einen
Helden ungeheuer viel leiden muß. Im Grunde ist er in vielen Geschichten
eine Art elektronischer Pinocchio: er wird verkauft, muß in Vietnam (!)
erkennen, daß er den Krieg nicht beenden kann, ja sogar bei einer Heldentat
wird er Jahrzehnte in die Zukunft geschleudert, wo er sich über mehrere
Bücher hinweg ohne seine El-tern und Mentoren in ärmlichen Verhältnissen
zurecht-finden muß. Der Trend zu rührseligen Stoffen ist im Zusammenhang mit
der japanischen Nachkriegszeit sicher nachvollziehbar. Ein großer Renner
dürfte Astro hier nicht werden, da die Geschichten erst beim Lesen und nicht
schon beim Durchblättern im Laden funktionieren. Herod
Lewis Trondheim: Mehltau. 134 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 5, 19,90
Mark. Reprodukt
Lewis Trondheim ist sicher einer der produktivsten Comiczeichner bei
gleichbleibender Qualität. "Mehltau" ist nur eine von vielen neuen
Veröffentlichungen auf deutsch. Dabei liegt der Großteil seiner Werke immer
noch nur im französischen Original vor. In diesem Buch geht es um den
mittelalterlichen Diktator Mehltau, der seinen Herrschaftsanspruch auf
Teufel komm raus mit Blut unterstreichen und deshalb Trondheims Figur "Herr
Hase" unbedingt erschlagen will. Dieser hat ihm gar nichts getan und will
gar nicht mit ihm kämpfen. Aber Mehltau ist keinerlei Beteuerungen oder
Argumenten zugänglich. Es ist schon witzig mitanzusehen, mit welcher
Starrköpfigkeit Menschen manchmal völlig sinnlose Ziele verfolgen. Auf all
diesen Seiten passiert eigentlich nichts, außer daß Herr Hase von einer
ausweglosen Situation in die nächste getrieben wird, zu dämlich gutmütig
reagiert, wenn er mal die Oberhand gewinnen könnte, und völlig naive Zitate
von sich gibt. Trotzdem ist das Buch total witzig und ein echter Trondheim.
Kaufempfehlung! Jo84
Willy Vandersteen (i. e. Paul Geerts): Suske & Wiske # 265. Papa Razzi.
Standaard Uitgeverij, Antwerpen, Belgien.
Nach mehreren eher öden Abenteuerstories und einem höchst unambitionierten
Millenniumband ("Het enge Eiland") nun wieder ein erstaunlich witziges Suske
& Wiske, in dem Tante Sidonie Supermodel wird und "Claudia Slipper"
vertreten soll. sie lernt natürlich sämtliche Slapstick-Schattenseiten
dieses Jobs kennen und wird von Paparazzis verfolgt. Aus neid verschlägt es
Lambik seit langem wieder mal auf die gegnerische Seite. Witzig (und im
konservativen Flandern auch mutig) vor allem, daß sich die
Vandersteen-Studios zum ersten Mal trauen, eine homosexuelle Figur auftreten
zu lassen, den Modelmanager Yves Yvette, der Gefallen an Lambik zu finden
scheint. Herod
Uwe de Witt: Blasted! 36 Seiten, farbig, Comicbookformat, 9,90 Mark. Extrem
Erfolgreich Enterprises
Es ist schon schön zu sehen, daß EEE nach Erfahrungen im Lizenzbereich nun
auch konsequenterweise Eigenproduktionen von einheimischen Zeichnern
veröffentlichen möchte, sofern sie ins Verlagsprogramm passen. Bei der
Vielzahl der Bewerbungen war natürlich klar, daß das erste komplett
eigenständige Heft ein echter Überhammer sein muß. Graisch trifft diese
Bezeichnung auf das Werk auch vollends zu. Der in Hannover lebende Grafiker
Uwe de Witt arbeitete fast zwei Jahre an seiner Science Fiction-Ballerorgie,
für deren grelle Direct-Colors-Panels Bisley, Sienkiewicz und neuere 2000
A.D.-Comics Pate standen. die Story ist laut Selbstauskunft des Künstlers
nicht weiter wichtig. Zwei Kleinkriminelle klauen einen Spezialblaster aus
einem dubiosen Waffengeschäft. Leider ist diese Waffe etwas eigen und
verbindet sich mit einem der Gauner, der zur schießwütigen Bestie mutiert.
Die Story ist kurz, oberflächlich und dümmlich, die Grafik schwindelerregend
gut. Da der Verkauf des Heftes bisher unter aller Sau war, wird man sich
wohl überlegen, weitere Eigenproduktionen zu starten. Selbst Bela B's
Lieblingsprojekt "Sisters of no Mercy" ist schon so gut wie gestorben. Fest
steht, daß Uwe de Witt keine Hefte mehr für EEE zeichnen wird (zu
arbeitsintensiv bei zu schlechter Bezahlung). Mir gefällt "Blasted" trotz
mieser Story ganz gut. Jo84
Yslaire: Der XX. Himmel. 60 Seiten, farbig, Überformat, Hardcover, 36 Mark.
Carlsen
Auch ein blindes Huhn findet mal ein Korn, könnte man gehässig über die
Albensituation bei Carlsen sagen, denn im Vergleich zu früher läuft dort
mittlerweile außer ein paar Funnies nicht mehr viel. Das vorliegende Werk
von Yslaire, der uns bei Carlsen früher die Reihe "Sambre" bescherte, zeigt,
warum Alben eine zeitlang in Deutschland sehr erfolgreich waren. Der fette
Hardcoverband liegt griffig in der Hand, präsentiert ein ausgefeiltes Layout
und eine anscheinend ab-geschlossene, recht kryptische Geschichte. Yslaire
hat sich seit 1997 sehr intensiv mit dem Internet beschäftigt und nahm es
als Grundlage für vorliegenden "Cyber-Roman" (Originalton Carlsen). Es geht
um die 98jährige Eva Stern, eine Psychoanalytikerin, die trotz ihres hohen
Alters immer auf der Höhe der Zeit geblieben ist und viel am Computer
arbeitet. Wenn man fähig ist, diesen recht unglaubwürdigen Plot zu
akzep-tieren, erwartet einen eine sehr interessante Story, der man nicht
immer ganz folgen kann. Eva bekommt im monatlichen Abstand e-Mails eines
gewissen @nonymous, die aus ungeordneten Fotos aus diesem Jahrhundert
bestehen. Haben diese etwas mit Evas Bruder Frank zu tun, der 1916 in jungem
Alter im Ersten Weltkrieg fiel? Schon den Vorabdruck des Albums im
französischen Magazin "Bodoi" verschlang ich fasziniert. Leider ist die
Albumausgabe gegenüber dieser Version zu ihren Ungunsten "bearbeitet" und
"ergänzt" worden. Das ursprünglich fast rein handwerklich gestaltete
Seitenlayout wich leider einem teilweise kalten, technischen Design mit
Zahlenspielereien, ekligen Rändern und verwirrenden Beschriftungen. Auch die
Original-Bildaufteilung wurde komplett verändert, fast jede Seite sieht
völlig anders aus. Ob Carlsen oder Yslaire selbst das Album bearbeitet hat,
ist mir unbekannt. Man hat dem Werk jedenfalls keinen Gefallen damit getan.
Schade, es hätte das Album des Jahres für mich sein können. Aber ich will
nicht übertreiben, das Album ist immer noch sehr gut. Jo84
Dr. Slump # 1 - 6. Carlsen
Carlsen hat ihn endlich: den witzigsten Manga der 80er! Das achtjährige
Robotermädchen Arale-Chan ist hier, stärker und frecher als Pippi
Langstrumpf, unzensiert und unverfälscht entnervt sie nicht nur ihren
Erfinderpapa Dr. Slump, sondern auch Außerirdische, Gangster, Polizisten und
Parodieversionen von Superman (der kleine, dicke, unfaire "Suppamann", der
bäuchlings auf einem Skateboard daherrollt), Tarzan, Mr. Spock und andere.
Das ganze ist auf einer Insel mit sprechenden Tieren angesiedelt und eben
kein Endlosklopp-Drama wie Dragon Ball, sondern eine Sammlung
unerschöpflicher, vergnüglicher Shortstories. Einiges mutet uns seltsam an
wie zum Beispiel Arales Interesse an Kackhäufchen ("Hier, Onkel! Frisch vom
Land!"), sollte aber in Tradition amüsant-unartiger Kinderbuchheldinnen
gesehen werden und wird so herrlich amüsant und ordentlich gezeichnet
präsentiert, daß mir eigentlich nur jeder leid tun kann, der nicht mal einen
Band probiert! (Mein Tip: Band 4.) N'cha! Eine der zehn besten Comicserien,
die ich kenne! Herod
Extrem special # 1. Torturer: Eine Burg in Canada. 36 Seiten, farbig,
Comicbookformat, 12,80 Mark. Extrem Erfolgreich Enterprises
"Extrem illustrated" ist zu dünn, um auch lange Stories düsterer Natur zu
bringen. Deshalb erscheint in der neuen Reihe "Extrem special" der Comic
"Torturer" von Pat Mills (Judge Dredd, Lobo) und John Hicklenton (Zombie
World, Tree of Death) weltweit exklusiv bei EEE und zuerst auf deutsch.
Story: Früher war Pete ein Folterknecht, der alle Tricks kannte, den Willen
eines jeden Menschen zu brechen. Doch Dämonen brachten ihn als Menschen
verkleidet in unsere Zeit, wo er sein Geld mit dem Erfinden von
Horrorspielen verdient. In einer Kneipe lernt er die Barfrau Flora kennen,
mit der er gemeinsam französische Schloßruinen besucht. Erst hier merken die
beiden, daß sie sich aus einem früheren Leben allzu gut kennen. Pat Mills
hat sich bei der wirr zu lesenden Story nicht gerade mit Ruhm bekleckert.
Ihr Sinn ist unmöglich beim ersten Lesen zu verstehen. Auch die Zeichnungen
haben irgendetwas Merkwürdiges an sich. Wohl die schlechteste
EEE-Publikation im letzten Vierteljahr. Jo84
Fix und Foxi # 1 - 3. Ehapa
FF sollten zurückkehren. Ehrlich gesagt, genau wie bei Zack hatte ich mich
darauf gefreut, Onkel Rolfs Schöpfungen wiederzusehen. Das Heft bestand aus
offenbar noch vorrätigen alten Geschichten, ungelenk gezeichneten neuen
Stories und der herzlich überflüssigen neuen Familie Pepperkorn, die wohl
dynamischer und vor allem textärmer geplant war, aber nie so recht
funktioniert hat, allein schon wegen der blöden rosa Trikots, die sie statt
normaler Kleidung trugen. Schön wär's gewesen, wenn sich FF wie in alten
Zeiten in spaßiger Ironie mit modernen Themen wie Handys, Pokemon, Talkshows
etcetera auseinandergesetzt hätten. So weit ist's nicht gekommen, und dem
Heft ging nach nur drei Ausgaben die Luft aus. Nun ist Kauka zudem
gestorben. Erst Barks, dann Kauka. Ist im Himmel Comic-Convention? Herod
Frank Frazetta Fantasy Illustrated. 92 Seiten, farbig, Softcover, DIN A 4,
19,80 Mark. Alpha
Es gibt in Deutschland kaum eine traurigere Geschichte als die des Alpha
Verlags, der aufgrund eines mangelhaften Rechtssystems und eines meiner
Meinung nach geisteskranken Bibelfanatikers so gut wie in den Ruin getrieben
wurde. Die Flaggschiffe des Erwachsenencomics, "Schwermetall" und "U-Comix",
mußten eingestellt werden. An einem Comeback arbeitet man seit Jahren, und
dieses neue Magazin soll der erste Schritt dazu sein. FFFI biete auf teurem
Papier mit erstklassigem Druck Kurzgeschichten der Creme des Fantasy-Comics.
Veteran Richard Corben ist in diesem "Schwermetall special" ebenso vertreten
wie Shootingstar David Mack (Kabuki), Covermaler Joe Jusko, "Elfenwelt
"-Zeichnerin Wendy Pini und "Dawn"-Zeichner Joseph Michael Linsner sowie
andere Talente. Das ganze hat mit Namensgeber Frazetta natürlich gar nichts
zu tun. Es ist eher ein gut gemischter Querschnitt meist jüngerer Zeichner
(quasi die Generation nach Frazetta), die sich mit einer Kurz-geschichte
oder einem ersten Kapitel einer Fortset-zungsgeschichte präsentieren dürfen.
Die Sachen sind alle nicht schlecht. Ich wünsche Alpha, daß das Magazin ein
Erfolg wird, bezweifle es aber. Denn schon vom amerikanischen Namensgeber
ist seit vielen Monaten keine Ausgabe mehr erschienen, wobei Ausgabe 1 im
Juni vorlag. Bislang ist Ausgabe 2 weder erschienen noch angekündigt. Sieht
also leider nach einer Totgeburt aus. Jo84
Horst # 1 und 2. Je 28 Seiten, s/w mit Farbcover, Comicbookformat, 7,80
Mark. Schwarzer Turm
Was tun gegen den Druck? Das ist das große und offenbar einzige Problem des
Hasen Horst, der ja nicht umsonst biologisch korrekt als Rammler bezeichnet
wird. Die von Geier weit überdurchschnittlich semi-realistisch gezeichneten
Abenteuer heben sich auch inhaltlich von berüchtigter Zotenware ab. Autor
Robi (Hahn), bekannt als "Menschenblut"-Hausautor, dürfte jedoch zu schaffen
machen, daß die Variationsmöglichkeiten bei diesem Sujet ziemlich begrenzt
sind, auch wenn man sich seine Kicks heutzutage außer im Freudenhaus auch in
"Swingerclubs" und selbst im Internet holen kann (beste Story meiner Meinung
nach: "Drin!"). Die drei Horst-Stories in Band zwei sind schon weit weniger
originell als Horsts virtueller Lust-Trip mit Hindernissen. aa
Kopeck # 3. 32 Seiten, farbig, Comicbookformat, 5,90 Mark. Karicartoon
Verlag
Vielleicht wäre zunächst ein bißchen Anerkennung nicht schlecht, daß die
Trilogie tatsächlich fertig geworden ist. Ich will keineswegs nur
kritisieren. Schön, daß Manfred Ilsemann einem deutschen Newcomer eine
Chance gegeben hat. Und ich bewundere auch Klaus Scherwinski für seine von
Inker Jo Guhde und diversen Coloristen unterstützte Leistung, kann mir
allerdings vorstellen, daß er sich in künftigen Comics zeichnerisch noch
erheblich steigern wird. Das Projekt "Kopeck" wurde nur mit Mühe und Not ins
Ziel gerettet und offenbart, insbesondere wenn man Profi-Maßstäbe anlegt,
doch erhebliche - vor allem auch inhaltliche - Schwächen. Teil drei
konzentriert sich auf reine Action ohne erzählerische Schnörkel. Wer da nun
gegen wen kämpft und warum, ist schon sehr nebensächlich geworden. Es zischt
und knallt und raucht jedenfalls sehr schön. Ich habe den Eindruck, am Ende
ist der Titelheld auf der Suche nach seinem vermißten Bruder (so fing's ja
mal an) keinen Schritt weitergekommen, wenn auch etliche Leichen seinen Weg
gepflastert haben. Naja, die Suche soll ja weitergehen, könnte man
einwenden. Aber Herausgeber Ilsemann gibt der Serie im Vorwort wegen des
Massenangebots an Superheldencomics keine große Chance. Und "Kopeck" müßte
doch schon einiges mehr bieten, damit ich darüber richtig traurig wäre. aa
Maddrax - die dunkle Zukunft der Erde # 8. Der schlafende König. 2,50 Mark.
Bastei
Ein seltsames Vergnügen ist dieses neue Romanheft, eine Endzeit-Science
Fiction-Klamotte. Besonders # 8 ist amüsant, in dem es den Held, Commander
Drax, in Begleitung der für gewöhnlich nackten Barbarenkriegerin Aruula, in
die Schweiz verschlägt, wo er immerhin den Agenten Sepp Nüssli trifft, vor
dem alle "das Hütli lüpfen", weil er der härteste Spion der "Grauen
Eminenzen" ist (er ist aber auch der einzige). Ein verblüffend witziger
Roman voll bewußtem Spiel mit Klischees. Könnte man sich prima als
ironischen Anime vorstellen! Auf der Leserbriefseite berufen sich die
Autoren auf Kaukas SF-/Fantasy-Serie "Andrax" (siehe Primo und Kauka-Action
Alben), und der Roman enthält sogar Anspielungen auf "Asterix bei den
Schweizern"! Wenn man von den Passagen absieht, in denen mit überflüssigen
Adjektiven Platz geschunden wird, ein erstaunliches Vergnügen. Herod
Marvel Knights: Dr. Strange - Flüchtige Gaben (Oneshot), 9,95 Mark. Panini
Ein hübscher dicker Sonderband, der alle vier Ausgaben der neuesten
Miniserie des Magier-Superhelden unter einem der momentan üblichen
blödsinnig rutschigen Glanzcover vereint. Seit Strange erstaunlicherweise
den Ruf Agamottos zu einem 10 000 Jahre währenden magischen Krieg an einer
anderen Ecke des Kosmos ablehnte, ist er auch schwächer geworden. (gibt's
nicht endlich mal eine Figur, die stärker und weniger &%$§realistisch wird?
Wie wär's mit einem unverwundbaren Roben oder einem lichtschnellen
Spiderman???) Er wirkt älter, matter und leider auch weniger wortgewaltig
als in den 60er bis 80er Jahren, sogar Dormammu wirkt weniger
ehrfurchtgebietend, mehr wie eine überdimensionale Vogelscheuche. Insgesamt
aber spannend und gut lesbar. Herod
Viz. Old Gold Rope: The very Best of Student Grant. 1,85 Pfund (not for sale
to children). Im deutschen Bahnhofsbuchhandel ca. 11 Mark.
Das britische Viz ist ein zweischneidiges Vergnügen. Es begann 1980 als
Fanzine mit unverschämten und unflätigen Parodien auf die
konservativ-festgefahre-nen Kindercomics wie "Beano", "Dandy" oder "Victor".
Gerade am Anfang war viel berechtigte Kritik dabei, zum Beispiel säte man
Zweifel am stets guten Aus-gang von Abenteuern, an einer stets
triumphierenden Gerechtigkeit oder an dem verharmlosenden Prügel-humor
vieler Schulcartoons. Auf die Dauer wurden derbe Sprache und Anspielungen
unter der Gürtellinie immer mehr zum Selbstzweck, so daß die Parodie zu
einer Art kommerziellem U-Comix mutierte, nach wie vor im Format der
britischen Comichefte (Magazin-format, 32 bis 48 Seiten, Innenteil
größtenteils nur zweifarbig). Was man aber zugunsten des neuen Viz sagen
muß, ist, daß sie verwöhnten Snobs und dem britischen Machogehabe oft den
Spiegel vorhalten können und immer noch teilweise geniale soziale Kri-tik
unterbringen, wenn sie nicht gerade auf der "South Park"/"Al Bundy"-Schiene
herumalbern. Besonders gelungen scheint hier "Student Grant", die Serie um
einen faulen, dösigen Jedermann-Studenten, der trotz großer Klappe und
coolem Gehabe noch völlig von seinen Eltern abhängig ist, bei seinen
Kollegen aber großartig ankommt. Die britische Studentenszene wird hier in
vielen kleinen Details (Namen von Bars, Ta-gesgestaltung, Partyrituale,
politisches und pseudointellektuelles Gelaber bin hin zum
Pflichtvegetariertum) liebenswert reflektiert und gleichzeitig respektlos
entlarvt. Da ich mal eine Weile an einer englischen Uni zugebracht habe,
wage ich zu sagen, daß mehr als ein Körnchen Wahrheit drinsteckt. Ein
besonderer Genuß für Medienfreaks sind die vielen Anspielungen auf Gerry
Anderson, dessen Science Fiction-Marionetten-Serien ("Thunderbirds",
"Stingray", "Terrahawks", "Captain Scarlet" oder ähnliche) seit mehr als 20
Jahren Kult sind bei englischen Studenten. Herod
Zack # 1 - 15. Mosaik Steinchen für Steinchen Verlag
Irgendwie ist das Jahr 2000 das Jahr der Nostalgie: Zack ist wieder da, MAD
und Fix und Foxi sind zurück, obwohl wohl nicht mit anhaltendem Erfolg,
fehlen nur noch Primo und Pepito, und der Blätterwald der 70er wäre fast
vollständig wiedererstanden. (Allerdings ist Yps eingestellt worden -
&%$§@#!) Ist schon ein nettes Gefühl, auf der Heimfahrt in der S-Bahn wieder
Zack lesen zu können, auch wenn es ein wenig zu teuer ist, zu viele
amateurhafte Serien (Gregor Ka, Solon - würg!) bringt und speziell
anfänglich zu viel Fandomballast enthielt. Ich frage mich immer, für welches
Publikum ein solches immerhin im Bahnhofsbuchhandel vertriebenes Heft
produziert wird. Ich glaube, die Kids erreichen wir mit Ken Duper, Michael
Weichgang, Luchs Flohrient, Bruno Brezel (danke für den Gag, Jo) oder
Cutibus nicht mehr, mit den Brabrabraxen noch weniger. Die Fanartikel
(speziell die ellenlangen, für nicht Beteiligte wohl kaum erhellenden
Erlangen-Berichte) sind für den Gelegenheitsleser auch wenig geeignet. Im
Heft wäre eine Straffung und Beschränkung auf wirklich profihaftes Material
wünschenswert (nicht unbedingt pro Heft ein Nachwuchszeichner, dessen Sachen
schon durch die Farbgebung rausfallen) und weniger Independent-/Fandom-Hype.
Verdienstvoll sind definitiv die Comicografien sowie überhaupt die Tatsache,
daß die Zackleute neue, in der Bundesrepublik noch unveröffentlichte
Episoden diverser klassischer Serien wie "Franka" oder "Luc Orient"
ausfindig gemacht und veröffentlicht haben. Erfolgreicher könnte das Produkt
sein, wenn es etwas billiger und noch zugänglicher wäre. Herod
ICOM setzt das Comic-Jahrbuch fort
Man hatte schon fast vergessen, daß der ICOM mal sein eigenes Fachmagazin
hatte. "ICOM Info" hieß es ursprünglich und war dem Titel entsprechend eher
eine Mitglieder-Information. Am Ende, als es schließlich "COMIC!" hieß, war
es eine sehr respektable, gut gemachte Zeitschrift, die mit "Speedline" oder
"Rrahh!" ohne weiteres mithalten konnte. Aus finanziellen Gründen mußte das
Magazin aber schließlich 1996 eingestellt werden. Der ICOM hätte andernfalls
den jährlichen Mitgliedsbeitrag deutlich anheben müssen. Das Geld scheint
aber erfreulicherweise immerhin für ein Jahrbuch zu reichen, das im
vergangenen Jahr erstmals erschienen ist (Burkhard Ihme (Hrsg.): COMIC!
Jahrbuch 2000, 19,80 Mark - ohne ISBN-Nummer; erhältlich unter anderem beim
ImMEDIA-tely Medienversand, Wer-ther, der den ICOM Independent Comic Shop
betreut). Der ICOM möchte auf diese Weise die Lücke füllen, die Gerd Zimmers
ComicPress Verlag 1993 hinterlassen hatte, als er das von Andreas C. Knigge
und am Ende von Joachim Kaps herausgegebene Comic-Jahrbuch versenkte. Keine
schlechte Idee, dieses ursprünglich in der Ullstein-Reihe "Populäre Medien"
erschienene Jahrbuch wieder aufleben zu lassen. Burkhard Ihme hat jetzt die
Akzente anders gesetzt, was sich aus dem Charakter des ICOM erklärt. In
Knigges Zeiten war der Comicmarkt in Deutschland analysiert worden. Das war
der Blickwinkel des Comic-Her-ausgebers, beziehungsweise Lektors. Ihme als
ICOM-Vorsitzender beleuchtet jetzt die deutsche Comicszene. Damit geht es
nicht mehr schwerpunktmäßig um Neuerscheinungen, um Verlagspolitik, um
Preise und Kunden - unter anderem einfach wegen der mangelnden Marktpräsenz
deutscher oder deutsch-sprachiger Produkte -, sondern es geht jetzt um
Personen, nicht zuletzt um die, die im ICOM Mitglied sind. Zuerst werden
zwei Erfolgreiche vorgestellt: Ully Arndt mit seinen "Ottifanten" und Peter
Butschkow. Und dann werden nacheinander alle ICOM Independent
Comic-Preisträger des Jahres 1999 porträtiert, vermutlich damit sich der
ICOM lange Debatten darüber erspart, wer würdig ist, im Jahrbuch
vorzukommen, und wer nicht. Man erfährt auf diese Weise eine Menge über eine
ganze Reihe von deutschen Comiczeichnern und bekommt einiges von ihren
Werken zu sehen. Die Marktbeobachtung fehlt nicht völlig - dafür gibt's ein
Interview mit Joachim Kaps von Carlsen. Und auch fachlicher Anspruch fehlt
nicht. Da tut sich besonders Fachjournalist Martin Frenzel hervor, der mit
seinem fast 40 Seiten langen Aufsatz "Protestantische Comic-Wüste Germanien?
" Max Weber Konkurrenz zu machen versucht. ICOM-typisch sind zudem die
Beiträge aus den Bereichen Zeichentrickfilm und Werbegrafik, denn diese
Themenfelder deckt der Verband mit ab. Fazit? Möchte ich eigentlich bei der
ersten Ausgabe dieses neuen Jahrbuchs noch keines abgeben. Den neuen
Themenschwerpunkt will ich nicht mißbilligen - schließlich versuche ich ja
in PLOP, in weitaus bescheidenerem Rahmen freilich, dasselbe. Burkhard Ihme
hat meiner Ansicht nach auch die Gefahr vermieden, daß das Jahrbuch nur als
rein vereinsinterne Angelegenheit erscheint. Wer mehr über den Markt wissen
möchte, wer Rezensionen und Vorschauen auf wichtige Neuerscheinungen lesen
will, kann sich ja an die oben erwähnten Fachmagazine oder auch andere
halten. Das Jahrbuch ist gut lesbar und verschwenderisch illustriert - und
dabei konkurrenzlos günstig (das Projekt wird laut Independent Shop mit
einer fünfstelligen Summe bezuschußt). Das Werk erscheint mir infolge der
vielen Zeichnerporträts schon ein wenig ungleichgewichtig. Aber das kann
sich mit den kommenden Ausgaben ja einpendeln. aa
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