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Anmerkung: Das da unten sind alte Comic-Besprechungen die im Comic Fanzine 'Plop' erschienen. Die meisten sind von Andreas Alt ('aa') verfasst. Natürlich sind die Angaben nicht mehr gütig, Hefte vergriffen, Zeichner umgezogen, Währung geändert etc. Aber für den einen oder anderen vielleicht ganz interessant hier zu schmökern...

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Plop 71
Besprechungen




Spong: Die zu Berge stehen. 36 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 4. Burrito Press
 
Es war wie immer nach dem Comic Sa-lon: Man kommt mit einem Haufen Comics nach Hause und beginnt nun, sich mit den erworbenen Schätzen näher zu beschäftigen. Der eine oder andere Band, hinter dem man schon Jahre lang ver-bissen her war, entpuppt sich nun als gelinde Enttäuschung. Dafür schlägt man achtlos mitgenommene Gelegenheitskäufe auf, die sich als kleine Sensation herausstellen. Zu letzterer Kategorie rechne ich diesen Band von Spong. Spong saß am Rand des Fanzinestands. Ich habe ihn eigentlich kaum beachtet, wollte dann zumindest mal „Guten Tag“ sagen und habe mehr aus Höflichkeit sein Werk mitgenommen. Spong führt den Leser hier auf knappem Raum durch sein bisheriges comic-zeichnerisches Oeuvre mit Beispielcomics und Erläuterungen dazwischen, die seine Suche nach seinem persönlichen Stil dokumentieren. Das klingt alles sehr überzeugend, und Spong ist zudem ein sehr talentierter Funnyzeichner. Nach einer eigenen Darstellung hat er im wesentlichen drei Phasen hinter sich. In der mittleren hat er versucht, so wie Ralf König zu zeichnen, was ganz gut funktioniert hat. Leider hat Spong damals auch die Gags von Ralf König großflächig kopiert. Auf jeden Fall kann er aber die Befindlichkeiten von jungen Leuten in der Großstadt ziemlich treffend und sympathisch darstellen. Wirklich nervig ist er nur, wenn er als 30-Jähriger mit dem Älterwerden hadert, was er in immerhin zwei Comics ausführlich ausbreitet. -aa
 
Weißblechs Weltbeste Comics # 13. Die Roten Rächer (Juni 2004). 28 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Comicbookformat, 3,90 Euro. Weißblech Comics, Am Hang 9, 24223 Raisdorf
 
Wenn es die West-Coast-Rächer gibt (allerdings nur als “West Coast Avengers” in USA), warum sollte es dann nicht auch die Roten Rächer geben? Die Idee springt sofort ins Auge: Das Konzept des Superheldenteams als Verteidiger von Freiheit und Kapitalismus umdrehen und die Combo den Kommunismus retten lassen. Dazu ist das Cover noch ganz eindeutig von Altmeister Jack Kirby inspiriert. Wer die Anspielung versteht, ist da sofort versucht, bei diesem Heft, der mei-nes Wissens ersten Übernahme von ausländischem Material bei Weißblech, zu-zugreifen. Ursprünglich erschien der Comic in Schottland, gezeichnet von „Barr und Regan“. Nun weist der Band, der eigentlich nur eine Parodie sein kann, einige Besonderheiten auf, die ihn ziemlich merkwürdig erscheinen lassen. Zunächst ist das Werk, anders als das Cover vermuten läßt, nicht unbedingt im typischen amerikanischen Superheldenstil gezeichnet. Die Grafik erinnert – bis auf ein paar eingestreute Kirby-Zitate – eher an das britische, aus „Kobra“ bekannte Artwork, was man aber als Verfremdungseffekt auffassen könnte. Die Story wartet zwar mit ein paar witzigen Ideen auf: Fidel Castro hat einen bemerkenswerten Kurzauftritt, und Statuen von George Washington und Abraham Lincoln entpuppen sich als Tarnung für US-Raketen-silos. Aber insgesamt handelt es sich hier doch nur um den altbekannten Kampf Gut gegen Böse. Der amerikanische Oberkapitalist ist eben unerträglich angeberisch und unsympathisch, während die sowjetischen Superhelden idealistisch und vaterlandsliebend bis zum Umfallen sind. Was sie an ihrem Land und System lieben, läßt sich aber verständlicherweise nur schwer darstellen. Außerdem gebärden sie sich nicht unbedingt kommunistisch, sondern bloß superheldenmäßig. Ein überzeugender sowjetischer Held ist eben doch eher zum Beispiel der unprätentiöse Polizist aus „Gorki Park“, während man sich einen Superpatrioten wie Captain America letztlich nur als Amerikaner vorstellen kann. Trotzdem ein interessanter Band, der jedenfalls, wie fast immer bei Weißblech, kurzweilige Unterhaltung bietet. -aa
 
Hammerharte Horrorschocker # 1 und 2 (Juni/Juli und August/September 2004). Je 32 Seiten, farbig, Comicbookformat, 3,90 Euro. Weißblech Comics, Am Hang 9, 24223 Raisdorf. www.weissblechcomics.com
 
Im Vergleich zu Hefttiteln wie „Notgeile Töchter des Atoms“ nimmt sich dieser nachgerade sachlich aus. Er trifft allerdings nur zu, wenn man den Inhalt mit dem der zahmen Bastei-„Gespenstergeschichten“ vergleicht. Richtige Horrorschocker wie etwa vom großen Vorbild des Verlegers, EC, oder auch den osthessischen Eisenfresser Comix sehen dann doch noch mal etwas anders aus. Beide Reihen haben allerdings den Nachteil, daß sie schon seit geraumer Zeit nicht mehr auf dem Markt sind. Levin Kurios Horrorschocker sind dagegen sogar mitunter am Kiosk zu finden, und ganz schlecht ist das Material dann doch nicht. Levin und seine Mitstreiter Rainer F. Engel und Roman Turowski haben grafisch die Schwächen der Fanzine-Phase endgültig überwunden. Insbesondere die Colorierung ist sauber und gekonnt. Die Zeichnungen wirken aber andererseits auch nicht so glatt, daß sie nicht mehr zu den Horror-Sujets pas-sen würden. Bei den Stories bemühen sich die Macher um angemessene Morbidität. So originell und überraschend wie die großen Vorbilder sind sie meistens nicht, aber vielleicht wäre das auch wirklich zuviel verlangt. -aa
 
Moerser Attack Collection # 3. 40 Seiten, s/w mit Farbcover, DIN A 5, 2,50 Euro.
 
Das Fanzine-Po-dium beim Erlanger Comicsalon wurde freundlich aufgenommen. Aus den Reihen des Publikums wurde sogar – angesichts der durchgehend schon etwas gesetzteren Herren, die die Fanzine-Szene vertraten – die Frage aufgeworfen, ob es denn heute immer noch neue Fanzines gebe. Ich für meine Person bin davon überzeugt, daß die Fanzineproduktion in gleichem Umfang weitergeht, und das vorliegende Magazin kann als kleiner Beleg dafür dienen. Heutige Fanzines zirkulieren freilich in ihren eigenen Szenen, so daß wir Älteren von ihnen nicht immer etwas mitbekommen. Die Macher von „Moerser Attack“ habe ich beim Salon kennengelernt – sie saßen mit am Fanzinestand. Allerdings habe ich, bedingt durch den Altersunterschied, nicht viel mit ihnen gesprochen, abgesehen von der Zusage, daß ich ihr Heft in PLOP rezensieren werde. Ganz neu ist es nicht mehr. 2001 formierte sich eine Gruppe von Comicbegeisterten in Moers, darunter Robert und Patrick Rennwanz und Jen Satora. Seit 2002 haben sie mindestens drei Ausgaben ihres Fanzines herausgebracht. Die Mitwirkenden sind so etwa um 1980 geboren, und ihr Magazin hat zunächst einige Ähnlichkeit mit Fanzines früherer Generationen. Die zeichnerischen Einflüsse sind naturgemäß andere, nämlich die Superheldencomics der neueren Generation und Mangas. Die Stories sind ausnahmslos kurz und sollen eher grafisch überwältigen als inhaltlich überraschen. Dazu paßt, daß es viele Splashpanels, Coverentwürfe und eine umfangreiche Sketch-Gallery gibt. So etwas wäre früher weder angeboten noch von Fanzine-Herausgebern in solcher Breite ab-gedruckt worden. Fürs Cover haben sich die Moerser schließlich einen richtigen Könner geholt – Karsten Schreurs. Insgesamt bleibe ich bei meinem Urteil: Fanzines gibt es heute ebenso wie früher, und sie haben sich in den letzten 20 Jahren nicht unbedingt sehr verändert. -aa
 
Bernd Teuber: Terror im 5. Bezirk. 56 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 5-Album, 8,70 Euro. UOE Comics
Terror im 5. Bezirk? Klingt ein bißchen wie ein französisches Departement oder Arrondissement. Aber wo diese Geschichte spielt, ist eigentlich völlig unwichtig. Was eigentlich auch für fast alle übrigen Bestand-teile dieser Story gilt. Bernd schustert eine relativ anspruchslose Mystery-Story um einen befreiten bösen Dämon zusammen, der mit knapper Mühe durch ein spezielles Amulett gestoppt werden kann. Für das Album sprechen der humoristische Einschlag der Story und das gewohnt saubere, ansprechende Artwork in Bernds typischem Schwarzweiß-Stil. Das eigentlich Interessante an dem Buch ist aber der Verlag. Der bittet um Einsendung von Comics und garantiert den Vertrieb seiner Bücher in Buchhandlungen und Comicläden. Auf jeden Fall kann man sie per ISBN-Nummer bestellen. Im Internet ist der Verlag unter www.UOEcomics.de zu finden. Leider erfährt man dort über ihn nicht viel Weiteres. Wer Material für ein Comicalbum in seiner Schublade hat, sollte aber vielleicht mal Kontakt aufnehmen. -aa
 
Bildstörung # 9. Zeitschrift für frische Worte und Bilder. 48 Seiten, s/w, DIN A 5, 3,50 Euro. Roman Castenhzolz, Triftstraße 47, 53919 Weilerswist
 
Roman Castenholz gewährt mir hier einmal Einblick in sein eigenes, eigenwilliges Projekt. In seinem Magazin mischt er reflexive Texte, Rezensionen, Lyrik, Comics und Illustrationen. Das hat alles Kunstanspruch, fordert jedenfalls zur Auseinandersetzung heraus. Roman hat eine ganze Menge Mitarbeiter. Wir kennen auf jeden Fall die Comiczeichner Lukas Mannhart, Gunnar Saeckler, Wittek und Teresa Camara Pestana. Es paßt aber alles sehr gut zusammen. Dieses Heft kann ein Gegenmittel sein gegen zu viel Fastfood-TV oder Yellow-Press-Zeitschriften. -aa
 
Panel # 24. 76 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Comicbookformat, 3 Euro. Panel – ambixious comix, Postfach 102665, 28026 Bremen.
 
Zunächst eine wichtige Korrektur: Bert Dahlmann legt Wert auf die Feststellung, daß es für Panel niemals Fördermittel der Hansestadt Bremen gab (wie ich letztes Mal fälschlich behauptet habe). Dagegen bleibt es dabei, daß „Panel“ ein beachtliches Niveau hält. Eine absolute Entdeckung ist für mich Comic-zeichner Nic Klein, der offenbar in der Liga von Bill Sienkiewicz oder Dave McKean spielen möchte und sich nicht verstecken muß. Ansonsten überwiegen diesmal lustige Comics, etwa von Peter Puck, Haimo Kinzler, Hannes Neubauer, Jan-Peter Meier, Rautie, Tim Dinter und Christian Moser. Auch die zurückgenommene Komik von Ulf K. paßt da sehr gut dazu. Alles sehr empfehlenswert. -aa
 
Moritz Stetter: Grauzone # 2. 36 Seiten, s/w, DIN A 5, 1,50 Euro. Moritz Stetter, bei Rohwedder, Wehlbrook 3, 22143 Hamburg. www.mocomix.de
 
Die Fortschritte von Moritz Stetter sind vielleicht am ehesten daran abzulesen, daß die verschiedenen Ge-schichten in diesem Band als Einheit erscheinen. Es sind auf jeden Fall mehrere Geschichten, wenn auch Moritz häufig auf Titel verzichtet. Aber alles spielt in seiner persönlichen Welt und geht bruchlos ineinander über, selbst wenn Moritz zwei Seiten mit seinen eigenwilligen Charakterstudien einflechtet. Worum es geht, ist für jemanden, der sich mit seinem Werk schon mal beschäftigt hat, nicht schwer zu ermitteln: Der Held ist nach wie vor für die eher oberflächliche Welt zu empfindsam, stößt sich noch immer an unsinnigen Jugendkultur- und Zeitgeisterscheinungen und sucht nach seinem Platz, seinem Sinn in dem ganzen Schlamassel. Wenn man sich mit diesen Arbeiten ausführlicher beschäftigt, wird man ihrer allerdings nicht überdrüssig, sondern sieht den Künstler dahinter immer deutlicher hervorscheinen. Was ein Indiz für wahre Kunst sein könnte. Ob es für Comics von Moritz Stetter allerdings ein größeres Publikum gibt, ist eine ganz andere Frage. –aa
 
Baustrips. Acht Piccolos, 20,5 mal 7,5 Zentimeter, s/w mit gelbem Umschlag, 6 Euro. Edition Rostfraß, c/o Wittek, Schulweg 29, 20259 Hamburg
 
Diese Publikation, die mir Wittek beim Comic Salon in die Hand drückte, ist zwar schon etwas älter. Da ihre Entstehung im Wittek-Jamcomic-Interview (PLOP # 66) erwähnt wurde, soll sie jetzt auch durch eine Besprechung gewürdigt werden. Wittek berichtete da-mals: „Am letzten Wochenende, vom 7. bis 8. Dezember (2002), haben Maikel Das, Haina Fischer, Calle Claus, Fabian Stoltz, Olli Ferreira & René Rogg-mann und ich uns mit Till Lenecke auf dessen Arbeits- und Bauspielplatz zum Arbeiten getroffen. Im „Psst-Hausaufgabenzimmer“ wollten wir innerhalb von 48 Stunden jeder ein Strip- bzw. Piccoloheft zum Thema Silvester mit insgesamt 24 Seiten machen. Dort habe ich die Konstellation Nick Knatterton – Hannelore Kohl – Der Unbeknackte wieder aufgegriffen, und wieder war es ein großer Spaß, relativ unbewußt (und diesmal unter Zeitdruck!) eine Geschichte zu erzählen.“ Wittek gab auch noch gleich zu, daß nur er und Haina in den 48 Stunden wirklich fertig geworden sind. Trotzdem ist den meisten Piccolos das Experimentelle deutlich anzumerken. Schwierig dagegen zu erkennen, inwieweit sich die neun Zeichner (René Roggmann und Oliver Ferreira arbeiteten bei ihrem Piccolo zusammen; hinzu kam noch Roland Trost, der eigenartigerweise seinen Piccolo französisch textete) gegenseitig beeinflußt oder ob sie eher nebeneinanderher gearbeitet haben (Calle Claus ließ sich jedenfalls von Wittek und Haina assistieren). Den geschlossensten Eindruck macht der Comic „Julie Judy & Sylvester“ von Fabian Stoltz. Am besten gefallen hat mir „Hide from inside“ von Haina, weil er es schafft, in offensichtlich ehrlicher Weise von sich zu erzählen und dabei auch den improvisierten Charakter seines Comics deutlich zu machen. Enttäuschend ist aber keiner der acht Comics. -aa
 
Basel brennt. Basler Comicgeschichten. 40 Seiten, s/w mit Farbcover, DIN A 5. Jens Natter, 46 Rue de Huningue, 68300 Saint-Louis, Frank-reich
 
Einige der Mitwirkenden kenne ich, aber was sie mit Basel verbindet, weiß ich nicht in jedem Fall. Katrin Baumgärtner studiert in Wien, Aaron Jordan lebt in Karlsruhe, Jens Natter hält sich im Moment in Frankreich auf. Die harte Basel-Fraktion scheint mir aus „König Lü-Q.“ und Oliver Gfeller aus dem Vorort Allschwil zu bestehen. Laut Vorwort haben sich aber alle Mitwirkenden an einer Kunstausstellung in Basel beteiligt und dabei die Idee eines gemeinsamen Fanzines entwickelt. Die versammelten Geschichten haben teilweise offensichtlich mit Basel zu tun, teilweise ist auch da der Bezug nur schwer herzustellen. „Basel brennt“ weist also spärliche Charakteristika eines Stadtmagazins auf – auch zwei regionale Anzeigenseiten konn-ten organisiert werden. Ansonsten wirkt das Heft aber doch wie ein allgemeines Fanzine mit ansprechenden, gut gestalteten Beiträgen. Warten wir die zweite Ausgabe ab, die bringt vielleicht mehr Klarheit. -aa
 
Geschrammel. Mini-Rock’n Comix # 3 und 4. Je 16 Seiten, s/w, DIN A 6, kostenlos. Jens Natter, 46 Rue de Huningue, 68300 Saint-Louis, Frankreich
 
Jens Natter hat sein Magazin für Rock- und Pop-Co-mics wegen des Projekts „Basel brennt“ auf Sparflamme geschaltet. Das ist schade, denn er hat inzwischen gutes Material, das bei dem kleinen Format aber nicht recht zur Geltung kommt. Das gilt insbesondere für Katrin Baumgärtners „Süßer Klang“, aber auch für die Beiträge von Moritz Stetter, Aaron Jordan, Olaf Bathke, Oliver Gfeller und Jens’ eigene neue Serie „Die Deibels“. Inhaltlich sind die Onepager von Jens noch etwas schwankend zwischen Satire und Zustandsbeschreibung der Vorgänge im Probe-raum einer Nachwuchsband. Aber die Serie kann durchaus noch Kontur gewinnen. -aa
 
Häschen torkelt. 28 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 5. Radek Matuszak, Langenfelder Damm 18, 20257 Hamburg
 
Dies ist, soweit ich sehe, das erste Fanzine von Radek Matuszak. Seine hintersinnige Komik ist aus PLOP schon bekannt. Wenn man sich seine Cartoons und Comics in dieser massierten Form ansieht, wird deutlich, daß es bei ihm meist um stilvolles Sich-gehenlassen geht. Klar, zum Kern jedes Scherzes gehört Normabweichung, aber bei Radek wird sie besonders elegant begründet. Auch auf die Tatsache, daß er letztlich nur das halbe Heft mit seinem Material gefüllt hat, weist er äußerst geschickt hin: „Gleich jedoch wird das Häschen die Platte umdrehen, das Heft enden und weiterlesen...“ Wer das tut, stößt auf einige Werke eines gewissen Ken. Ein nicht näher vorgestellter, mir bisher unbekannter Zeichner mit einem etwas seltsamen, aber durchaus ansprechenden ornamentalen Zeichenstil. Mit seinem Comic „Schrecken des Alltags“ erweist er sich als Geistesverwandter von Radek. -aa
 
cOMIc # 55 und 56. 20 Seiten, s/w, DIN A 5, im Tausch gegen Beiträge oder andere Fanzines. Gerd Bonau, Gabelsberger Straße 14, 24148 Kiel
 
Die # 56 ist mal wieder eine sehr gute Ausgabe geworden, beginnend beim ironischen Cover. „Unheimlich dünne Omi“ konstatiert Jan Prose und präsentiert ein entsprechendes Knochengestell. Gerd scheint jedenfalls nicht zu altem – auch nicht üppigem – Heft-umfang zurückkehren zu wollen. Innen bietet er dies-mal vor allem einen phantastischen Comic eines ersten Schultags von Max Jähling und einen Beitrag von Fanzine-Shootingstar Frunk. Hinzu kommen Minirezensionen und kürzere Arbeiten von Ulrich Magin, Bernd Teuber, Aaron Jordan und anderen. Im vorhergehenden Heft werden wieder mal vor allem Werke des unerschöpflichen Wittek zweitverwertet. -aa
 
QI # 67 und 68. Je 16 Seiten, s/w, DIN A 5. Edgard Guimaraes, Rua Capitao Gomes, 168, Brasopolis MG 37530-000, Brasilien
 
Das Cover der neuesten Ausgabe hat Herausgeber Edgard schon 1991 gezeichnet, die Szene eines vom Tatort fliehenden Mörders, der umgekehrte Fußabdrücke hinterläßt. Daß hier ein Fanzine-Veteran am Werk ist, kann man natürlich schon an der Heftnumerierung ablesen, wobei QI allerdings einen rascheren Veröffentlichungsrhythmus hat als PLOP. Nachdem in letzter Zeit einige Ausgaben vom üblichen Muster abwichen, haben wir bei diesen beiden Heften wieder die vertrauten Inhalte: Vorne Artikel oder Leserbriefe, hinten ein umfänglicher Fanzineindex. -aa
 
Blue Evolution Vol. 2 # 1. 36 Seiten, farbig, 17 mal 26 Zentimeter, 4 Euro. The Next Art. www.thenextart.de
 
Ich habe auch Band 1 dieses Werks gesehen. Er besteht aus einem Stapel Farbkopien in einem Ringbuch. Ein Freund des Künstlers Marian Kretschmer zeigte es mir auf dem Comic Salon und merkte an, er habe es nicht gut genug zum Drucken gefunden. Marian ist ein bemerkenswert guter Zeichner. Zwar kann er Einflüsse der neuen Superheldenzeichner, die ihrerseits alle von Berni Wrightson gelernt haben, und aus dem Mangabereich nicht verleugnen. Aber er beherrscht diesen Stil souverän und coloriert ihn mithilfe von S. Haack in atemberaubender Weise. So sahen ohne Abstriche auch die Blätter des unveröffentlichten ersten Bandes aus. Vielleicht lag ja der Schwachpunkt eher auf seiten der Story. Marian will zwar auf jeden Fall linear erzählen, ordnet die Handlung aber immer der Grafik unter. Die erste Hälfte des Hefts ist ein wilder Traum mit zahlreichen bildwirksamen Ungeheuern. Eben aufgewacht, entscheidet sich der Protagonist, statt zur Schule zu gehen, lieber seiner Freundin Sahra nach Köln hinterherzufahren. Auf den letzten Seiten kommt es zu einem schweren Lastwagenunfall, in den er und Sahra verwickelt sind, der aber vor allem ekligen Parallelwelt-Wesen ermöglichen soll, in unsere Wirklichkeit einzudringen. Das alles wäre wohl nur leidlich spannend, wenn es nicht so spektakulär in Szene gesetzt wäre. Zusammen mit einem guten Autor wäre Marian zu wirklich mitreißenden Fantasy-Epen fähig. -aa
 
Das Nürnberger Comicblatt # 3. 16 Seiten, s/w, DIN A 4, 1,50 Euro. Daniel Kiendl, Humboldtstraße 133, 90459 Nürnberg
 
Langzeitleser mögen sich erinnern (oder können zurückblättern), daß ich Band 2 dieses Magazins nach dem Comic Salon 2002 besprochen habe. Die Macher Daniel Kiendl und Anton Buller haben sich zwischen den Comic Salons tatsächlich etwas gehen lassen und jetzt erst wieder zu einer neuen Ausgabe aufgerafft. Ein geplantes Farbcover ist dann am Drucker gescheitert. Innen finden sich vor allem Besprechungen von Comics und verwandten Populärkulturbereichen. Das Layout ist deutlich sauberer und besser geworden. Das Heft soll wieder vor allem in dendrei Nürnberger Comicläden ausgelegt werden. Wünschen wir den immer noch jungen Machern Erfolg und für die Zukunft etwas mehr Tatendrang. -aa
 
Xoomic # 9. 64 Seiten, teilweise farbig, 20 mal 27 Zentimeter, 5,90 Euro. Frank-Kemter-Verlag, Nürnberger Straße 111 A, 90762 Fürth. www.xoomic.de
 
Die einzige ins Auge fallende Veränderung nach Kreativpause und Relaunch des Fachmagazins ist die verstärkte Aufnahme von Comics. Mich überrascht, wie weit Herausgeber Frank Kemter diese Schleuse geöffnet hat. Die Heftmitte dominiert ein zwölfseitiges Opus von Laska-Comics, „Der Golem“. Hinzu kommen Zweiseiter von Jean-Claude Fournier („Die Kannibalen“) und von Michael Schulz. Das ist zusammen genau ein Viertel des gesamten Heftumfangs und mir auf jeden Fall zuviel. Laut Vorwort fiel eine Vorschau kommender Neuerscheinungen dem Platzmangel zum Opfer. Das schmerzt mich weniger, als wenn es einen Artikel getroffen hätte, aber ein passionierter Sammler wird das vielleicht anders sehen. Prüft man das Inhaltsverzeichnis, so scheint es, als ob die internationalen News ursprünglich ausführlicher sein sollten. Tatsächlich nehmen sie vier Seiten ein. Platz ist immer noch für einen ausführlichen und sehr interessanten Beitrag über autobiografische Comics, ein Porträt von Franziska Becker und ein Interview mit Moebius. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Ausweitung der Comicsektion mittelfristig auswirken wird. -aa
 
P.L.G. # 38. 100 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 4, 10 Euro. P.L.G., BP 94, 92123 Montrouge Cedex, Frankreich. www.ifrance.com/plg
 
Die neue Jahresausgabe dieses französischen Edel-Fanzines beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit den Zeichnern Bilal und dem hierzulande weniger bekannten Jean-Marc Rochette. Unter den Fanzine-Rezensionen finden sich wieder lobende Worte für PLOP („leider auf Deutsch“). Mir geht’s ja mit P.L.G. umgekehrt genauso. Vor allem bedaure ich, daß ich die vielen gut gemachten Comics in diesem Heft nicht lesen kann, die zeigen, daß das Fandom in Frankreich qualitativ nahe am Profigeschäft angesiedelt ist. -aa
 
Enpunkt # 41 (Juli 2004). 64 Seiten, s/w mit ockerfarbenem Umschlag, DIN A 5. Klaus N. Frick, Postfach 24 68, 76012 Karlsruhe
Im Zentrum dieser Ausgabe steht der Bericht über einen Überfall, dessen Opfer Klaus in Johannesburg wurde. In zwei Texten weist Klaus zuvor schon auf den ominösen Zwischenfall während seines letzten Südafrika-Urlaubs hin, bevor er ihn dann in der Heftmitte ausführlich beschreibt. Ein Raubüberall, vor allem auf einen Weißen, ist in Johannesburg etwas Alltägliches. Bemerkenswert ist eher, daß Klaus nicht verletzt wurde, obwohl die Räuber Messer hatten. Zudem nahmen sie ihm nur seinen Rucksack und die Dinge ab, die offen in seinen Taschen steckten, nicht aber Geld und Papiere, die er unter seiner Kleidung trug. Klaus beschreibt auch ausführlich, wie er hinterher den Vorfall bei Polizei und Wachleuten in der Nähe anzuzeigen versuchte, aber nur Schulterzucken erntete.„Ihnen ist doch nichts passiert“, was die wiederholte Reaktion. Kein „unerhörtes“ Ereignis, aber doch eine für einen Mitteleuropäer fremde Welt. Die Artikel, die ich im letzten Heft redundant fand, werden übrigens in einem Leserbrief besonders gelobt. In der vorliegenden Ausgabe fand ich solche Texte allerdings nicht. Standard in „Enpunkt“ sind zahlreiche Konzertberichte und Plattenkritiken mit Schwerpunkt Punk. -aa
 
Underdog # 8 und 9. Mit beigelegter Cassette bzw. CD. Je 72 Seiten, s/w, DIN A 5, 2,50 Euro. Fred Spenner, Narzissenweg 21, 27793 Wildeshausen. www.underdogfanzine.de
 
Zwischen diesen beiden Ausgaben wurde bei dem niedersächsischen Punkfanzine die Technologie gewechselt. Statt Cassette ist jetzt eine CD beigelegt. Der Datenträger hat ein Image. Und bisher hatte nur die Cassette einen wirklichen Underground-Touch. Nachdem nun aber jeder mit seinem Computer auch CDs brennen kann, sind auch sie jetzt offenbar akzeptabel geworden. Zudem fahren immer mehr Leute mit CD-Playern statt Cassettenrecordern im Auto herum. Im Magazin ist alles beim alten geblieben. Eingestreute Comics haben in beiden Ausgaben ihren Platz. Offenbar soll in jedem Heft eine bekannte Band vorgestellt werden. In der # 8 ist das Hüsker Dü, in # 9 geht es um Johnny Thunders (New York Dolls, Heartbreakers). -aa
 
Exodus # 14 und 15. Je 52 Seiten, s/w, DIN A 4, 3,50 Euro. René Moreau, Schillingsstraße 259, 52355 Düren. www.sfflohmarkt.de
 
Dieses Science-Fiction- und Phantastik-Fanzine ist ursprünglich in den Jahren 1975 bis 1980 erschienen und vom damaligen Herausgeber jetzt wiederbelebt worden. Wie das kam, dazu schrieb er mir: „Nun, warum EX damals eingestellt wurde, und warum ich es nun wieder aufgreife, das wäre eine wirklich lange Geschichte, die ich Dir da erzählen müßte. Vielleicht einfach nur soviel: Mit 25 habe ich wohl irgendwann (aufgrund der vielen Arbeit, die ich letztlich alleine bewältigen mußte) die Lust verloren. Bedenke: es gab noch keinen Computer, alles mußte per Schreibmaschine und von Hand gemacht werden. Das ist nun anders. Habe einfach wieder meine Freude daran gefunden, ein grafisch anspruchsvolles Heft mit ansprechenden Texten zu fertigen.“ Wir haben es hier mit einem in den 50er Jahren geborenen SF-Fan zu tun, der im übrigen von einem SF-Antiquariat in Düren im Rheinland lebt. In den beiden neuen Ausgaben bilden reine SF-Stories die Minderheit. Das dürfte 1980 noch anders gewesen sein. Auffällig ist zudem, daß sich auch etablierte Autoren zum Fandom bekennen. In # 14 ist unter anderem Ronald M. Hahn vertreten, Mitautor des Heyne-SF-Lexikons und selbst Herausgeber von Anthologien bei Heyne. Für die # 15 hat Thomas Ziegler („Zeit der Stasis“) zumindest eine ältere Story spendiert. Das ist gleichbedeutend, wie wenn Matthias Schultheiß oder Dieter Kalenbach auch mal Comics in PLOP veröffentlichen würden. In # 15 sind auch wieder Leserbriefe abgedruckt. Redaktionelle Beiträge sollen in „Exodus“ allerdings nicht erscheinen. Science-Fiction-Illus oder Comics sind dagegen stets willkommen. –aa
 
Neue Kostenlos-Magazine:
 
Comicaze # 16 (Sommer 2004). 20 Seiten, teilweise farbig, DIN A 4. Comicaze e. V., Evi Poxleitner, Altmannstraße 11, 80686 München
 
Cosmix # 7. 20 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 4. Cosmix Köln, c/o Frank Plein, Subbelrather Straße 253, 50825 Köln. www.cosmixkoeln.de
 
Wieselflink # 02/2004. 32 Seiten, farbig, DIN A 5. Wieselflink, Brokhauser Weg 32 c, 26160 Bad Zwischenahn. www.wieselflink.de
 
Moga Mobo # 100. 116 Seiten, s/w, DIN A 5-Paperback. Moga Mobo, Christburger Straße 17, 10405 Berlin. www.mogamobo.com
 
Patrick Wirbeleit (Text) / Kim (Zeichnungen): Störtebeker # 1. Freunde und Feinde. 100 Seiten, farbig, 14,5 mal 19,5 Zentimeter, Softcover, 6 Euro. Carlsen
 
Ein Schädel, mit einem langen Nagel an einem Pfahl befestigt  – das sollen die zur Abschreckung ausgestellten Überreste des Piraten Klaus Störtebeker sein, der 1401 für seine Untaten in Hamburg hingerichtet wurde. Bastei hat die in Norddeutschland ungeheuer populäre Gestalt schon in den 70er Jahren in seinen „Berühmten Geschichten“ vercomixt. Der bis auf die Schiffsdarstellungen mäßig gezeichnete Studiocomic hat sich mir dennoch tief eingeprägt wegen dem todesverachtenden Draufgängertum, mit dem sich Störtebeker da auf eigenen und fremden Schiffen herumschwingt, wenn auch in den Kämpfen der Vitalienbrüder mit den Dänen aus Gründen des Jugendschutzes kein Blut floß. Autor Patrick Wirbeleit, von dem wir bisher das ziemlich lyrische „Baumhaus“ (siehe PLOP # 65) kennen, bietet einen anderen, noch jugendgerechteren Helden an. Der Pirat ist hier sozusagen noch Azubi, als Kleinkrimineller in Wismar zwar schon mit allen Wassern gewaschen, aber mit den Planken eines Schiffes vorerst noch unvertraut. Das aufgeweckte Bürschchen erinnert eher an Wickie als an einen künftigen Schrecken der sieben Meere. Um die Identifikationsmöglichkeiten noch zu vergrößern, wird der junge Klaus von der sprechenden Möwe Waddemunkel, einem typischen komischen Sidekick, begleitet. Aber bitte – das Minialbum soll vermutlich nicht in erster Linie Leser meiner Altersgruppe ansprechen. Wenn man sich an ein junges Zielpublikum wendet, bedeutet das allerdings nicht, daß man bei der Story schludern darf. Störtebeker stolpert sozusagen in sein erstes Abenteuer, indem er sich auf ein Piratenschiff schummelt, auf dem es nicht mit rechten Dingen zuzugehen scheint. Es hat nämlich zwar viele Vorräte, aber kaum Waffen an Bord. Hier beginnen die wundersamen Wendungen der Geschichte: Angeblich soll das Schiff das mit den norddeutschen Städten verbündete Stockholm versorgen, aber Störtebeker glaubt das nicht, zettelt einen Aufstand gegen den Kapitän an und verhilft seinem Kumpan Gödecke Michels zum Kommando. Der beschließt darauf, nach Stockholm zu segeln und die Stadt zu berauben – mit vielen Vorräten und kaum Waffen an Bord? In Stockholm geraten die Helden in eine Falle, begegnen der dänischen KöniginMargarethe, die dort anscheinend – aber nicht wirklich – im Gefängnis schmachtet, und werden von ihr, ehe sie sie erkennen, noch einmal aufs Kreuz gelegt. Eine Königin, die sich inkognito in Kellern einer feindlichen Stadt herum-treibt? Mithilfe der Stadt-wachen von Stockholm gelingt schließlich Störtebeker und seinen Man-nen mit knapper Mühe die Flucht. Patrick Wirbeleit versteht sich auf die Inszenierung von Schlüsselszenen: die Meuterei auf dem Schiff, die verhinderte Teenager-Romanze zwischen Störtebeker und Margarethe, die zugleich den Keim für den späteren Konflikt legt, und ein paar weitere schöne Epi-soden. Die scheint er aber ohne Rücksicht auf den Handlungsfaden zusammengezwungen zu haben. Insgesamt ergibt die Story nicht allzu viel Sinn. Eine Geschichte à la „Die Jugend von...“ bietet sich eben nur an, wenn es ein gesichertes Erwachsenenleben gibt, das auch allgemein bekannt ist. Im Fall von Störtebeker weist die Quellenlage aber viele Lücken auf, und Legenden, die so sehr Allgemeingut geworden sind wie etwa bei Robin Hood, sind auch rar. Da hätte es sich eher angeboten, beherzt neue Abenteuer zu erfinden. Gewohnt gut ist die Grafik von Kim, kein anderer als der auch PLOP-Lesern bekannte Kim Schmidt, dessen Comiczeichenschule zuletzt auf diesen Seiten vorgestellt wurde. Kim hält seine Zeichnungen so einfach wie möglich, kann aber Panoramapanels jederzeit mit beliebig vielen offenbar auch historisch stimmigen Details anreichern. Hinzu kommt eine einfühlsame Colorierung. Eine effektvolle, sehr abgeklärte Arbeit. Schon deshalb freue ich mich auf einen zweiten Band mit einem hoffentlich konzentrierteren und stimmigeren Storytelling. -aa
Charles M. Schulz: The Complete Peanuts Vol.1,1950-1952. 348 Seiten, DIN A 5 Querformat, s/w und zweifarbig, Hardcover mit Schutzumschlag, 28,95 Dollar. Fantagraphics Books
 
Selbst in Deutschland boomt der Comicmarkt bis zur totalen Unübersichtlichkeit, wie man auf dem Comic Salon Erlangen wieder gut sehen konnte. Aber irgendwie geht es mir mit den Comics wie mit den Fernsehprogrammen: Je mehr es davon gibt, desto mehr fragt man sich, wieviel Prozent davon man eigentlich wirklich als Fan im Hause haben muß. Und ob trotz der Fülle dieser Veröffentlichungen im eigenen Lande die wahren Perlen nicht trotzdem im Ausland zu finden sind. Ein exquisiter Prachtband, bei dem sich diese Frage erst gar nicht stellt, ist dieser erste Band der Komplettedition der Peanuts-Strips. Die ersten drei Jahre, 1950 bis 1952, dieses Klassikers sind hier enthalten, dazu eine dreiseitige Einführung, ein dreizehn-seitiger Abriß über Schulz‘ Leben sowie 34 Seiten Interview aus dem Jahre 1987. Die ersten Jahre des Strips sind meiner Meinung auch besonders interessant, da sie in Deutschland praktisch komplett unveröffentlicht sind und es natürlich spannend ist zu sehen, wie sich die Charaktere, die Anfangs völlig anders waren als heutzutage, langsam auf ihr bekanntes Erscheinungsbild hin entwickeln. Snoopy ging noch auf allen Vieren und konnte nur bellen, Charlie hatte nur wenig mit seinem heutigen Image zu tun und Hauptfiguren wie Patty oder der andere namenlose Junge sind sogar ganz verschwunden. Als nächstes kam Schroeder dazu, schon relativ ähnlich zu heute, dann eine erstaunlich freundliche Lucy. Aber auch der Zeichenstil hat sich erst langsam entwickelt. Anfangs war doch noch alles sehr sauber und kommerziell ausgeführt. Das Interview und auch die Biographie über Charles M. Schulz sind vorbildlich informativ, und auch die Aufmachung ist sehr gelungen. Nicht mal der Preis wäre ein Problem, 28,95 Dollar sind bei dem momentanen Dollarkurs für diesen Band keineswegs zu teuer. Da Schulz 18 170 Strips gezeichnet hat, müßte die Komplettedition etwa 17 Bände umfassen. Diesen ersten Band könnt ihr über jeden Comichändler beziehen, der amerikanische Ware vertreibt. Die Previews-Bestellnummer ist jan 04 2427. Jo84
 
Yves Swolfs: Legende # 1; Das Wolfskind, 48 Seiten, farbig, Softcover-Album, 10 Euro. Carlsen

Yves Swolfs gehört seit der Erschaffung der Westernserie „Durango“ vor mehr als 20 Jahren zur Creme der frankobelgischen Zeichner und Autoren und ist vielbeschäftigt. Mal ist er nur Zeichner, manchmal auch nur Texter (zum Beispiel „James Healer“ im Verlag Alles Gute). Seine neue Reihe „Legende" ist wieder einmal komplett von ihm und spielt im dunklen Mittelalter. Swolfs meisterhafte Zeichnungen, coloriert von Sophie Swolfs, erzählen eine Story, die er leider nur aus allen möglichen Geschichten und Klischees zusammengestoppelt hat. Erzählt wird die Legende des Tristan von Halsburg, genannt der ruhelose Reiter. Geboren als Thronfolger wird ihm schon als Säugling nach dem Leben getrachtet und, im Wald allein gelassen, wird er aufgezogen von einem Mann, der unter Wölfen lebt. Doch seiner Bestimmung, sich unter Menschen seinen Platz zu erkämpfen, kann er nicht entkommen. Swolfs‘ Zeichenstil ist prädestiniert für die Darstellung dieser düsteren Zeit mit ihren dunklen Wäldern, hohen Burgen,edlen Pferden und dreckigen Rittern. Die Story selbst ist nicht sonderlich originell; sie klaut ein bißchen was aus Robin Hood, Dschungelbuch, der Bibel und etlichen bereits vorhandenen Mittelaltercomics und kann dabei kaum etwas falsch machen. Dieser Eintopf mundet daher sicher nicht jedem, schmeckt aber auch nicht gänzlich unangenehm. Jo84
 
Yumi Hotta/Takeshi Obata: Hikaru No Go # 1, 192 Seiten, s/w, Manga-Taschenbuch, 5 Euro. Carlsen
 
Beim Stöbern auf Großvaters Dachboden entdeckt Hikaru ein uraltes Go-Brett, das es in sich hat: Es wird vom Geist eines Go-Meistres bewohnt, dessen Liebe zum Spiel ihn unsterblich machte. Um endlich wieder Go spielen zu können, nistet er sich in Hikarus Bewußtsein ein. Dieser ist zunächst wenig begeistert über seinen neuen „Mitbewohner" und dessen scheinbar stinklangweilige Passion. Doch mit der Zeit merkt Hikaru, daß mehr hinter dem „Alte-Leute-Spiel" steckt als zunächst angenommen... Die Autorin der Story, die seit November 2003 in Banzai vorveröffentlicht wird, heimste in Japan schon mehrere Preise für ihre Serie ein. Für deutsche Verhältnisse ist die Thematik gewöhnungsbedürftig, da das Brettspiel Go hierzulande noch ziemlich unbekannt ist. Aber die Story bietet ein bißchen Spannung, ein wenig Mystery und ein paar ganz gute Gags, zeichnerisch routiniert in Szene gesetzt , nicht mehr und nicht weniger. Kann man mal reinschauen. Jo84
 
Neues in der Comicwissenschaft – Andys „Evolutionstheorie“
 
Andy hat seine Comictheorie, die er schon vor einigen Jahren entwickelt hatte, gründlich überarbeitet und in die Kunstgeschichte eingepaßt. Das gelingt ihm dank einer wirklich neuen und konzisen Definition der Comics: Demnach besteht ein Comic aus mehreren Bildern, bei denen beim Betrachten immer eins vom nächsten abgelöst wird. Andy beschreibt dies mit dem etwas saloppen, aber einprägsamen Begriff „Wegschubseffekt“. Anders als in der bildenden Kunst – jedenfalls ab der Renaissance – hat das einzelne Bild somit keinen absoluten Wert. Es wird vom jeweils nächsten verdrängt. Der Sinn des Gesamtwerks erschließt sich nur aus der Abfolge der Bilder. Daraus schließt Andy, daß die Hochphasen der Malerei, vom Barock bis kurz vorm Beginn der Moderne, keinen Nährboden für die Entwicklung von Comics boten. Sie blühen im Holland und England des 18. Jahrhunderts auf. Hollands Hochzeit der Kunst war vorbei, England hatte gar keine. Beispiele der in seinen Augen ersten Comics liefert Andy in reichem Ma-ße auf seiner Homepage http://bugpowder.com/andy. Der Text ist für Andy sekundär, wenngleich er natürlich hinzutreten kann. Klar – er hat ja selbst ausgiebige Erfahrungen mit stummen Comics gesammelt. In seinem Heftchen hat Andy seine Theorie zwar umfassend und verständlich dargelegt. Aber sie würde ohne weiteres den Rahmen eines Buchs verdienen. Da könnten dann auch die teilweise von Andy entdeckten alten Comicbeispiele gezeigt und besprochen werden. Aber ob sich dafür ein Verleger findet? Andy scheint es leider auch am Talent der Selbstvermarktung zu mangeln. Als Giveaways hat Andy übrigens auch etliche seiner Konky-Kru-Strips und eine neue Ausgabe seines Magazins „Flicker Mouse“ herausgebracht. Gleiches Format, nur ein etwas größerer Umfang von 20 und 24 Seiten. –aa