(Plop Online Comics, hier klicken)  
Anmerkung: Das da unten sind alte Comic-Besprechungen die im Comic Fanzine 'Plop' erschienen. Die meisten sind von Andreas Alt ('aa') verfasst. Natürlich sind die Angaben nicht mehr gütig, Hefte vergriffen, Zeichner umgezogen, Währung geändert etc. Aber für den einen oder anderen vielleicht ganz interessant hier zu schmökern...

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Plop 70
Besprechungen



Der längste Comicstrip der Welt. Ein Rekordversuch auf der Frankfurter Buchmesse 2003 für das Guinness World Records Buch. 82 Seiten, s/w mit zweifarbigem Umschlag, Albumformat, Frankfurter Buchmesse Ausstellungs- und–Messe GmbH. Für 6,50 Euro erhältlich bei ComicLaden, Berliner Straße 20, 60311 Frankfurt
 
Das Experiment ist geglückt. Hauptsächlich ging es wohl darum, den Comicschwerpunkt auf der Buchmesse durch einen Event aufzuwerten. Aber nebenbei entstand damit auch der offiziell längste Comicstrip, bestehend aus 593 Einzelbildern, die während drei Messetagen von den Besuchern gezeichnet wurden. Jedem Teilnehmer war der Inhalt seines Panels vom Dialog bis zu den handelnden Personen und der Kulisse genau vorgegeben. Die Geschichte, die sich um die Suche der Guinness-Redaktion nach dem bedeutendsten Weltrekord dreht, hatte sich zuvor „Mosaik“-Autor Hubertus Rufledt ausgedacht. Das Projekt ist in meinen Augen ein Fanprojekt im besten Sinne, denn jeder durfte mitmachen, der einen Stift halten konnte, und so ist ein an Zeichenstilen, grafischem Können und Bildideen sehr vielfältiges Werk herausgekommen, das allerdings aus diesem Grund nicht ganz einfach zu lesen ist. Dafür kann man stundenlang und mit wachsender Begeisterung nach Bekannten unter den Zeichnern suchen und findet zum Beispiel Naomi Fearn, Mawil, Moritz von Wolzogen, Stefan Dinter, Christopher Tauber und – US-Under-groundstar Gilbert Shelton, der eigentlich nur zum Signieren da war.
 
COMIc # 54 (Ostern 2004). 20 Seiten, s/w mit gelbem Umschlag, DIN A 5, im Tausch gegen Beiträge und Porto oder andere Fanzines. Gerd Bonau, Gabelsberger Straße 14, 24148 Kiel
 
Keine Rezensionen und Artikel diesmal, und Gerd Bonau hat die Seitenzahl seines Magazins deutlich reduziert. Der Siebenseiter „Non Suavis Genese“ von Wittek aus „Unangenehm“ und der Vierseiter „Die Invasion“ von Bernd Teuber beherrschen das abgespeckte Heft. Daneben finden sich Kurzcomics, Cartoons und Illustrationen von Gunnar Saeckler, Aaron Jordan, Teresa Camara Pestana und anderen. Nehmen wir mal an, daß dies nicht der künftige Veröffentlichungsstandard, sondern sozusagen eine Notausgabe ist.
 
Flicker Mouse # 1. 24 Seiten, s/w, DIN A 6. Andy Konky Kru, andy_konkykru@yahoo.com
 
Andy ist zu dem Entschluss gekommen, daß er keine Comics mehr herausgeben möchte. Das vorliegene Heftchen verteilt er eigentlich nur, um das mitzuteilen. Im Vorwort weist er vor allem auf seine sehr ansehnliche Website hin (http://bugpowder.com/andy), auf die er seine Aktivitäten schon großenteils verlagert hat. Aber gescheitert ist er vor allem an der Produktion und mehr noch am Vertrieb von Printprodukten. Er hat keinen Weg gefunden, seine Comics sowohl zu vertretbaren Kosten zu drucken als auch möglichst weit zu verbreiten und dabei rote Zahlen zu vermeiden. Dieses Geschäft soll nun ein anderer für ihn übernehmen. In dem Mini-Magazin sind folgerichtig abgesehen von einem Zweiseiter keine eigenen Comics von Andy enthalten, sondern Kostproben von internationalen Künstlern, mit denen Andy in Kontakt steht. Vertreten sind auch die Deutschen Ulf K. und Rainer Baldermann sowie Julie Doucet. Überwiegend handelt es sich um witzige kleine Kabinettstückchen, wie sie auch Andy selbst mit seiner „Konky Kru“ bevorzugt. Bleibt zu wünschen, daß er den Verleger findet, der ihn groß herausbringt.
 
Weissblechs weltbeste Comics # 12. Schlüpferlüpfende Manga Schlampen. 32 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Comic-bookformat, 3,90 Euro. Weissblech Comics, Am Hang 9, 24223 Raisdorf, www.weissblechcomics.com
 
Für den Manga-Boom ist Levin Kurio eigentlich auch schon ein paar Jahre zu alt. Trotzdem war es für Weissblech sicher naheliegend, sich im Rahmen der Parodien auch mal den fernöstlichen Kulturkreis vorzunehmen. Herausgekommen ist eine typische Weissblech-Produktion mit einer hanebüchenen Story und allenfalls ordentlicher Grafik. Zielsicher wurden als oberflächliche Effekte einige gut wiedererkennbare Manga-Versatzstücke eingebaut, ansonsten scherte man sich nicht viel um das zu parodierende Material – was dem Erfolg des Hefts freilich keinen Abbruch tun dürfte. Spannender nimmt sich die beigelegte DIN A 6-Leseprobe des kommenden neuen Magazins „Horror-Schocker“ aus. Die gut 10 Seiten über das düstere Treiben eines mittelalterlichen Hexenjägers, gezeichnet offenbar von Roman Turowski, enden mit einem schönen Cliffhanger und machen wirklich Lust auf mehr.
 
Nerds (Oktober 2003). 40 Seiten, s/w, DIN A 6 quer. Blind Pigture Industry
 
Hinter „Blind Pigture Industry“ (das schreibt sich wirklich so; im Verlagssignet grüßt winkend und mit verbundenen Augen ein Schwein) verbergen sich „drei junge, ambitionierte Comickünstler vom Niederrhein“, so die Selbstauskunft im Vorwort. Sie praktizieren die klassische amerikanische Arbeitsteilung von Texten, Zeichnen und Inken. Das vorliegende Heft fällt zunächst durch sein ungewöhnliches Format auf: DIN A 6, quergeheftet. Ein Piccolo soll es offenbar nicht sein. Strenggenommen handelt es sich auch nicht um einen Comic, sondern um eine Cartoonserie im Stil von Witteks „Comiczeichner sind...“ Hier werden wir also über den Charakter von Nerds aufgeklärt. Soll man dem Band glauben, so dreht sich ihr Leben bevorzugt um PCs, „Star Wars“-Filme und DC-Superhelden. Womöglich haben sich die drei BPI-Künstler hier selbst porträtiert. Das Heft ist ganz unterhaltsam. Trotzdem würde ich gern mal einen richtigen Comic von den Dreien sehen.
 
Quadrinhos Independentes (QI) # 65 und 66. 20 Seiten, s/w, DIN A 5. Edgard Guimaraes, Rua Capitao Gomes 168, Brasopolis MG 37530-000, Brasilien
 
Zwei weitere Ausgaben des beständigen brasilianischen Comicfanzines, dessen Titel in Ausgabe 65 endlich einmal ausgeschrieben war. „Quadrinhos“ könnte auf vierteljährliche Erscheinungsweise hindeuten. Die Nummer 66 fällt wieder etwas aus dem Rahmen, weil anstelle des Fortsetzungscomics Artikel und vermutlich Leserbriefe aufgenommen wurden.
 
Panel # 23. 76 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Comicbookformat, 3 Euro. Panel – ambixious Comix, Postfach 102665, 28026 Bremen, www.edition-panel.de
 
Panel war Anfang der 90er Jahre eines der ersten Fanzines, dessen Macher höher hinauswollten und konsequent Comics mit künstlerischem Anspruch zu präsentieren versuchten. Für dieses Projekt gab’s dann auch Fördermittel von der Hansestadt Bremen. Die strenge Auswahl, die zu treffen war, bedingte oft größere zeitliche Abstände zwischen zwei Ausgaben. Sie hielten dann aber auch ein beachtliches Niveau – zumindest in grafischer Hinsicht. Auch der vorliegende Band ist eine sorgfältige, sehr ansprechende Kompilation von stummen Comics. Die Beteiligten verstehen es, Geschichten ohne Worte zu erzählen. Dafür stehen teilweise schon die prominenten Namen: Ulf K., Markus Grolik (der aber wohl auch aus Promotionzwecken für sein neues Buch „On the Run“ aufgenommen worden ist), Hannes Neubauer, Haimo Kinzler, Wittek oder Rautie. Künstlerisches Neuland sind die Comics ohne Worte zwar schon lange nicht mehr, aber eine überzeugende Sammlung ist den Bremern zweifellos gelungen.
 
Markus Grolik: On the Run. 52 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Album im Comicbookformat, 8,50 Euro. Panel – ambixious Comix, Postfach 102665, 28026 Bremen, www.edition-panel.de
 
Münchens Kostenlos-Comicmagazin „Comicstrich“ erscheint schon seit längerem nicht mehr, und auch von seinem Mitarbeiter Markus Grolik hat man seit einiger Zeit nichts mehr gehört. Jetzt meldet er sich mit einem Marathonlauf durch die Phantasie zurück. 42 Comicseiten lang kämpfen sich skurrile wanzen-ähnliche Wesen stumm durch jeweils zwölf Panels. Für diese Parasiten geht es um den möglichst reibungslosen Wirtswechsel. Denn jedesmal, wenn sie sich aufatmend im Haar, auf dem Hut oder in der Kleidung eines Zeitgenossen niedergelassen haben, müssen sie alsbald wieder flüchten und nach dem nächsten Domizil Ausschau halten. Dabei stürzen sie in die Tiefe, durchschwimmen die Kanalisation, landen mehrfach im Kochtopf oder auf Nahrungsmitteln und zum Schluß gar in einer mythischen Phantasiewelt, was Markus Grolik jeweils mit einem souveränen Groteskstil in Szene setzt. Eine fortlaufende, sinnvolle Handlung ergibt sich daraus nicht, ist vom Künstler aber auch an keiner Stelle beabsichtigt. Vielmehr wirkt das Album wie eine endlose Folge von Cliffhangern. Man bleibt von Seite zu Seite gespannt, wohin sich die Tiere beim nächsten Mal wohl in Sicherheit bringen werden.
 
Monochrom. Sammelband # 15 – 23. Ca. 500 Seiten, s/w mit rotem Umschlag, DIN A 4, 15 Euro. Monochrom, Grenzfurthner + Fürlinger, Schönbrunner Straße 32, A- 1050 Wien, www.monochrom.at
 
In diesem österreichischen Underground-Magazin, das man in dem vorliegenden dicken Sammelband in aller Ausführlichkeit kennenlernen kann, geht es hin und wieder auch um Comics. Vereinzelt werden Comics abgedruckt. Ich kannte das Magazin bisher noch nicht und konnte auch nicht ermitteln, wer konkret es mir aus welchem Grund zugesandt hat (Gerd Bonau scheidet in diesem Fall wohl aus). Die Haupt-zielrichtung von „Monochrom“ ist im übrigen nicht so einfach zu ermitteln. Man liegt aber vermutlich nicht völlig falsch, wenn man annimmt, daß es hier vorrangig um höheren Nonsense geht.
 
Underdog # 7. Autonomes Zentralorgan Willdeshausen. 72 Seiten, s/w, DIN A 5, 2,50 Euro. Fred Spenner, Narzissenweg 21, 27793 Wildeshausen, www.underdogfanzine.de
 
In Wildeshausen – das liegt in Niedersachsen, südlich von Bremen – ist Punk noch nicht tot. Im Gegenteil, hier gibt es sogar einen Punkkönig, nämlich „Richie den Dritten“. Der Hauptgrund, warum ich auf diesen Ort komme, ist, dass hier ein Punk-Fanzine herausgegeben und ein Cassettenlabel („60 Minuten Kulturschock“) betrieben wird, beides unter dem Namen Underdog. Im Magazin finden sich hauptsächlich Bandinterviews (mit Muff Potter, Dead Boys, End of April), Plattenkritiken, politische Kommentare sowie zur Auflockerung zwei Comics von Moritz Stetter und Oliver Gfeller. Comicinteresse beweist auch das Interview mit Gerhard Seyfried. Underdog-Herausgeber Fred Spenner, der ansonsten auch der einzige Autor zu sein scheint, möchte aber künftig mehr Grafisches ins Heft nehmen. Vielleicht bekommt der eine oder andere demnächst Post von ihm.
 
Neuere Kostenlos-Magazine:
 
Blümchens Schacht # 1 (Frühjahr 2004). 36 Seiten, s/w mit Farbumschlag, DIN A 4, kostenlos. Ans de Bruin, Stephanstraße 53, 35390 Gießen. www.bluemchens-schacht.de.vu
 
In der hessischen Universitätsstadt Gießen gibt es wieder ein Kostenlos-Comicmagazin. Pionierarbeit hatte hier das Magazin Kainsmal geleistet, von dessen Redaktionsteam noch Andreas Eickenrodt an Bord ist. Das Kommando des Schiffs hat aber offenbar Ans de Bruin, eine aus Franken zugewanderte Grafikerin. Die Debütnummer macht einen guten Eindruck. Bei dem relativ großzügigen Umfang von 36 Seiten (bei rund sechs Seiten Anzeigen) können die meisten Mitwirkenden mehrseitige Comics beisteuern. Ob das Nicht-Comicfans, die sich das Heft ja auch mitnehmen sollen, auch mögen, muß sich allerdings erst herausstellen. Stories und Zeichenstile sind jedenfalls so unterschiedlich, daß keine Langeweile aufkommt. Sogar ein Fotocomic ist dabei, der – auch ohne daß man die Beteiligten kennt – ziemlich komisch ist. Ach ja, vielleicht sollte der Sinn des Titels noch geklärt werden: Ein zweifelhaftes Wahrzeichen Gießens ist das sogenannte Elefantenklo, eine Fußgängerbrücke am Anfang der Haupteinkaufszone Seltersweg. Dieses Bauwerk ist nicht nur ausnehmend häßlich, sondern auch mit einem kreisrunden Loch ausgestattet, dem es seinen respektlosen Namen verdankt. Und „Blümchen“ soll offenbar an ein Kindern wohlbekanntes Rüsseltier erinnern. Im Juli/August soll die Dickhäuter-Sitzung fortgesetzt werden.
 
Stan Sakai: Usagi Yojimbo # 1. Die Kopfgeldjäger. 84 Seiten, s/w mit Farbumschlag, Album im Comicbookformat, 12 Euro. Schwarzer Turm
 
So fing also alles an mit dem „Leibwächter Hase“, dem Samurai im Funnylook. Der Carlsen Verlag hatte schon einmal mit der Veröffentlichung der japanisch-amerikanischen Serie begonnen, sie aber nach acht Ausgaben vorzeitig eingestellt. Der Schwarze Turm hatte die Reihe bis zum letzten, dem dreizehnten Band, weitergeführt und hat jetzt auch den Ehrgeiz, die ersten Ausgaben in neuer Ausstattung erneut aufzulegen. Nun sollen im Gegensatz zu den Carlsen-Bänden auch alle Usagi-Episoden enthalten sein. Eine richtige Origin-Geschichte ist im ersten Band nicht zu finden. Der Hase erzählt lediglich im Rückblick, daß sein Herr in der Schlacht starb und er seitdem ziellos umherstreift. Usagi verdingt sich bei jedem, der dafür bezahlen kann. Häufiger noch, wie man noch sehen wird, mischt er sich ungefragt in Streitigkeiten ein, wenn er das Gefühl hat, daß jemandem Unrecht geschieht. Von den Tierköpfen sollte man sich nicht irritieren lassen: Hier geht es todernst und mitunter ziemlich blutig zu. Zuletzt erzählte Autor und Zeichner Stan Sakai ungeheuer kunstvolle und elegante 20-Seiten-Geschichten. Am Anfang sind sie noch etwas einfacher gestrickt: ein Konflikt wird aufgebaut, und dann mäht der wehrhafte Hase seine Gegner reihenweise nieder. Teils muß sich Sakai auch mit zehn Seiten begnügen, wenn er in fremden Magazinen veröffentlicht. Es wird interessant sein, die Entwicklung dieser ungewöhnlichen Serie weiterzuverfolgen.
 
Comixene # 70 – 72 (Februar bis April 2004). Je 64 Seiten, teilweise farbig, DIN A 4, 5 Euro. Verlag Jurgeit, Krisman & Nobst
 
Die Comixene hat längst wieder einen Routinestatus erreicht, der regelmäßige Rezensionen eigentlich unnötig erscheinen läßt. Ungewöhnlich und interessant erscheint mir allerdings, daß sich die neuen Comixene-Macher neuerdings um die Wurzeln dieser legendären Zeitschrift kümmern. Äußerer Anlaß dafür ist das bevorstehende 30jährige Jubiläum der Comixene (wobei man aber die vielen Jahre, in denen das Magazin überhaupt nicht erschien, schon mitzählen muß. Die Anfänge, die auch die Älteren von uns kaum mehr mitbekommen haben dürften, werden hier aus erster Hand geschildert, nämlich in Interviews mit den damaligen Machern. In der März-Ausgabe ging es los mit einem Interview mit Thilo Rex, der 1974 ein Fanzine namens „Comics Maker“ aus der Taufe hob. Rex holte dann den allseits bekannten Andreas C. Knigge ins Boot, bevor er selbst das Interesse an dieser Art Magazin verlor und ausstieg. Im April schildert dann Knigge seine in entscheidenden Punkten abweichende Sicht der Dinge.
 
Schwarzgeld
Harry Luck hat seinem ersten Krimi „Der Isarbulle“ (siehe PLOP # 68) nach weniger als einem Jahr einen zweiten folgen lassen: „Schwarzgeld“ (ca. 200 Seiten, KBV Verlags- und Mediengesellschaft mbH, Hillesheim, ISBN 3 – 937001 – 16 – 6, 8,90 Euro). Die Hauptpersonen des „Isarbullen“ sind erneut im Einsatz, und der Autor ist auch weitgehend seinem Stil treu geblieben. Allerdings fehlt diesmal die Ironie der Anspielungen auf Fernsehkrimis á la „Derrick“. Stattdessen reichert er seine Story um Elemente eines Politthrillers an. Ein einflußreicher oberbayerischer CSU-Po-litiker wird erschossen und der Ministerpräsident Kurt-Anton Stadlbauer (den ich mir eher als eine Art Max Streibl als wie Edmund Stoiber vorstelle) bei einem Attentat lebensgefährlich verletzt. Statt geduldig einen Verdächtigen nach dem anderen zu befragen, müssen die Ermittler diesmal in Dokumen-tenmappen der bayerischen Staatskanzlei herumschnüffeln und die größenwahnsinnigen Pläne eines Starnberger Industriellen belauschen. Die Stärke des Romans liegt in der einfühlsamen und genauen Beschreibung der Arbeitsweise von Kripobeamten und Journalisten (der vorwitzige Polizeireporter Frank Litzka ist auch wieder dabei). Harry Luck kennt sich nicht nur in seinem eigenen Metier (er ist Agenturjournalist in München), sondern auch dem der Polizei gut aus und hat Sinn für Details (etwa wenn er eine etwas unbeholfene Vernehmung eines Leitenden Oberstaatsanwalts schildert, der so weit aufgestiegen ist, daß er mit solcher Routinearbeit kaum noch zu tun hat). Er hat da, wie das Nachwort verrät, in der realen Welt recherchiert. Die Räuberpistole von der Korruption in der bayerischen Staatsregierung, die er auftischt, wirkt dagegen eher unglaubwürdig. Zwar verzichtet er auf eine große Verschwörungstheorie. Aber die meisten Figuren sind zu naiv angelegt, als daß man ihnen ihre Rolle in diesem Skandalfall abnehmen würde. Die Pressesprecherin der Staatskanzlei schmeißtr aus Empörung darüber, daß ihr ein Maulkorb verordnet wird, ihren Job hin. Kriminalhauptkommissar Sonne, der sich darüber aufregt, daß ihm sein Fall aus Staatsraison entzogen wird, muß sich ein paar Seiten weiter erstmal darüber aufklären lassen, welcher Mißbrauch mit Parteispenden getrieben werden kann. Zu welchen Zwecken der Industrielle sich nun tatsächlich die Staatsregierung „gekauft“ hat, bleibt verschwommen. Reporter Litzka erwacht, nachdem er dem großen Dunkelmann in die Falle gegangen ist, gerade so lange aus seiner Ohnmacht, um mitzuhören, auf welchem Weg er beseitigt werden soll – das ist ein Klischee, das inzwischen wohl nicht einmal mehr bei „Jerry Cotton“ benutzt wird.  aa